wie alles begann
Meine erste Tour als Sozia
Ich kann mich noch gut an meinen ersten Tag als Sozia erinnern. Es begann im Februar 97 als ich meinen jetzigen Freund kennenlernte. Er erzählte mir von seiner „Biker - Leidenschaft“ und davon, wie sehr er sich schon darauf freute, wenn er endlich wieder „Mopped“ fahren könne. Ich wurde bis zu diesem Zeitpunkt noch nie mit dieser Sache konfrontiert und hatte dementsprechend natürlich auch keine Ahnung davon, was mich erwarten würde. Ich dachte an meine Schulzeit und an meine halbstarken Klassenkameraden, wie sie mit ihren aufgemotzten Zündapp - Mofas durch die Gegend heizten. Irgendwie kam diese Erinnerung immer wieder in mir hoch, wenn mein Freund vom „Moppedfahren“ redete.
Ostermontag war es dann endlich soweit. Wir verabredeten uns um 10.00 Uhr bei ihm. Mit gemischten Gefühlen erschien ich pünktlich in Jeans und Turnschuhen. Die Vorstellung, dass zwei 185 cm große Menschen auf einem kleinen Moped durch die Natur sprotteln sollten, missfiel mir gewaltig. Gänzlich demotiviert wurde ich, als er mir dann das vermeintliche Ziel mitteilte: Eine Biker-Messe in Rendsburg. Ich glaubte nicht, was ich hörte. „Rendsburg!“, hämmerte es in meinem Kopf. Schlappe 80 Km von Hamburg entfernt. Ich begann zu rechnen. 80 Km geteilt durch.....! Wie schnell fuhr noch gleich ´ne Mofa? 20 oder 25 Km/h? Das hieß ja.....(oh mein Gott) mit Pausen summa summarum schlappe 4 bis 5 Stunden. Und das nur die Hintour.
Naja, ihm zuliebe raffte ich mich auf und entschloss mich, die Folter zu ertragen. Wenigstens das Wetter spielte mit. Zwar war es nur etwa 10 Grad über null, und es wehte ein kräftiger Wind von West, aber die Sonne schien, und es war kein Wölkchen weit und breit in Sicht.
Mein Freund schaute mich an. „So kannst Du nicht los.“, sagte er und wies dabei auf meine Jeans und Schuhe. Ich schaute an mir herunter, kurz davor, beleidigt ihm den Rücken zuzukehren. „Wieso? Was ist damit?“ „Du bist zu dünn angezogen, und außerdem nicht sicher genug. Warte, ich hab was für Dich.“ Er kramte in seinem Schrank und holte einen Nierengurt, Stiefel, Handschuhe, ein Halstuch und einen kompletten Goretex-Anzug hervor. Das sollte ich wirklich anziehen? Auf einem Mofa? „Spinner!“, dachte ich ironisch, aber ich gehorchte brav.
erste Tour nach Husum
Zum Glück hatten wir die gleiche Größe, und mit viel Mühe und Hilfe gelang es mir schließlich, mich standesgemäß zu kleiden. Ich fühlte mich total unwohl. Während ich noch immer an meinem Outfit herumnestelte, zog auch er sich um. Was ich dann erblickte, verschlug mir die Sprache. Vor mir stand ein fremdes Wesen. Ein in gegerbter Kuhhaut gewickelter Altrocker. Lederjacke, Lederhose, Halstuch. Die Haare helmgerecht nach hinten gekämmt. Wo war der Mann geblieben, den ich liebte?
Axel in Husum 1997
Ich seufzte und hoffte, dass der Tag schnell zu Ende gehen würde. Nach einer kurzen Instruktion, wie ich den Helm zu tragen hätte, machten wir uns schließlich auf, um das heißgeliebte Gefährt aus dem Schuppen zu holen. Ich war auf alles gefasst. Er öffnete die Tür, und ich riskierte einen kurzen Blick. Das erste, was ich erspähte, war eine Vespa. Ich atmete tief durch und überlegte immer noch, wie ich mich aus dieser unangenehmen Situation befreien konnte.
Dann schob er sie heraus. Ein Mastschwein von Maschine. Grinsend präsentierte er mir seine BMW R1100 GS. „Bitte schön, mein Mopped!“ Mir fiel die Kinnlade herunter, und ich glaube, ich habe nie dämlicher ausgesehen, als in diesem Moment.
Nach einem kurzen Crashkurs über Schräglagen und Kurvenverhalten bestieg ich dann das erste Mal ein echtes Motorrad. Völlig verkrampft und ängstlich klammerte ich mich an ihm fest. Jetzt ging es los. Die erste Kurve...durchatmen und durch. Puh, geschafft. War eigentlich gar nicht so schlimm. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. In der nächsten Kurve ließ ich sogar die Augen offen. Langsam gelang es mir, mich zu entspannen. Und dann bemerkte ich die eisige Kälte, und ich war froh, auf meinen Freund gehört zu haben, denn die lange Unterhose nahm jetzt einen hohen Stellenwert bei mir ein.
Den Stadtverkehr und die Staus nahmen wir gelassen hin. An jedem Hindernis mogelten wir uns dezent vorbei. Die bösen und neidischen Blicke der Autofahrer berührten uns dabei wenig. Dann verließen wir die Stadtgrenze. Endlich freie Bahn und Natur pur. „Halt Dich jetzt mal fest.“, sagte mein Freund zu mir, und ich wusste nicht, was er eigentlich damit meinte. Kaum ausgesprochen, beschleunigte er seine Maschine innerhalb weniger Sekunden auf 120 Km/h.
Ich hatte große Mühe, gegen die Fliehkraft gegenanzukämpfen, damit ich nicht den Soziussitz unfreiwillig nach hinten verließ. Bis zu diesem Moment hatte ich keine Ahnung, wie schnell die Beschleunigung auf einem Motorrad sein konnte. Und das mit nur 78 PS. Instinktiv krallte ich meine Lederhandschuhfinger in seine Jacke.( Ich hatte mal einen Golf mit 75 PS, und die Beschleunigung war nicht so heftig, dass die Gesichtshaut Falten an den Ohren schlagen konnte. Aber auf dem Motorrad war das ganz anders, so empfand ich es jedenfalls.) Ich atmete schneller, und dann kam wieder eine Kurve. Mit 80 Klamotten hinein, und ich dachte, mein Knie würde den Asphalt küssen. Aha, das war also die Schräglage, von der mein Freund am Anfang gesprochen hatte. Dank der sicheren und souveränen Fahrweise meines „Chauffeurs“ gelang es uns, Rendsburg heil zu erreichen. Erst, als ich dort vom Motorrad absteigen wollte, bemerkte ich, daß ich total verkrampft war. Meine Finger krallten sich immer noch in seine Jacke, und nur unter größter Mühe gelang es mir, meine Verkrampfung zu lösen. Ich hatte wackelige Knie, und meine Bauchmuskeln schmerzten.
Wir besuchten die Ausstellung, und ich musste zu
meiner Verwunderung feststellen, dass alle anderen Biker Leute waren wie Du und
ich. Die Klischeevorstellung von böse aussehenden Rockern realisierte sich
nicht. Ich war plötzlich mittendrin und fühlte mich pudelwohl. Keiner schien mir
anzusehen, dass ich heute meine erste Tour gemacht hatte. Alle waren locker,
freundlich und aufgeschlossen. Zwar konnte ich an den Benzin- und
Schraubergesprächen noch nicht teilnehmen, hörte aber interessiert zu. Dann, am
Ende der Veranstaltung, war ich es sogar, die den Vorschlag machte, noch weiter
zu fahren. Bloß noch nicht nach Hause. Ich hatte Blut geleckt. Mein Freund ließ
sich auch sofort darauf ein. Auf zur nächsten Ausstellung, nach Husum.
Axel in Rendsburg 1997
1997
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