Mitternachtssonne aM Inari-See

 

 

Um 7:30 Uhr saßen wir beim leckersten Frühstück der vergangenen Woche. Das Vandrerhjem hatte alles aufgefahren, was es an Köstlichkeiten gab. Fischsalate in allen Variationen, Lachs, große Käseauswahl, Müsli, Marmeladen, diverse Brötchen und Brotsorten, Säfte, Milch, Eier, Kaffee und Obst. Da fiel die Auswahl absolut schwer. Und obwohl wir die Brötchenhälften und Brotscheiben halbierten oder sogar drittelten, haben wir es nicht geschafft, alle Leckereien zu probieren.

Frühstück im Vandrehjem
Frühstück im Vandrehjem

Nach dem Frühstück schrieb dann Axel noch schnell die Notizen des gestrigen Tages nieder und ich bemerkte, dass er dabei sichtlich bewegt war. War ja auch kein Wunder, wenn einem noch einmal alles vor den Augen abläuft.

Axel macht sich Notizen
Axel macht Notizen vom gestrigen Tag

Pünktlich zum Start um 9:30 Uhr setzte dann auch wieder der Regen ein. Was auch sonst...allerdings sahen wir in der Ferne am Horizont einen blauen Streifen am Himmel. Das ließ hoffen. Und richtig, bereits nach etwa 30 Minuten ließ der Regen nach und die Sonne schob sich allmählich durch die Wolken.

Start in Honningsvag im Regen
Start im Regen

Nach und nach bot sich uns ein absolut traumhafter Blick auf den nun mittlerweile von der Sonne bestrahlten Atlantik und die sagenhafte Umgebung. Alles wirkte grüner als grün, die Felsen kontrastreicher, der Himmel blauer. Unbeschreiblich...

eindrucksvolle Landschaft
eindrucksvolle Landschaft

Gegen 10:00 Uhr verließen wir, nachdem wir die zuvor vergessenen Fotos nachgeholt hatten, durch den Nordkap-Tunnel die Insel Magerøya. Erst jetzt, nachdem das Wetter besser geworden war, fielen mir die kilometerlangen geschichteten Felswände auf, die sich neben der Straße emporstreckten.

Axel vor dem Nordkap Tunnel
Beweisfoto mit Axel

Bine vor dem Nordkap Tunnel
Beweisfoto mit Bine

Die Schönheit der Natur erschlug einen hier fast. Das kommt leider alles auf den Bildern nicht so rüber. Teilweise hatte Axel Pippi in den Augen. Geflasht von der atemberaubenden Landschaft, überwältigt von dem Erlebten.

kilometerlange Felswände
kilometerlange Felswände entlang der Straße

Zur Krönung trafen wir dann auch noch auf eine Rentierherde, die in aller Ruhe erst entlang und dann auf der Straße trottete. Da die Tiere keinerlei Scheu vor uns hatten und unmittelbar fast unsere Beine streiften, gingen wir davon aus, dass es sich um zahme Tiere handeln musste. Auf jeden Fall hatte das Rudel aber einem Anführer, das war am ganzen Verhalten zu bemerken. Mit uns hielten auch andere Touristen auf Bikes und in ihren Fahrzeugen, um die Viecher aus nächster Nähe zu filmen. Die Geräuschkulisse bestand aus Glöckchenbimmeln, knarzenden Bewegungen der Rentiere beim Gehen und Motorbrummen. Da abzusehen war, dass es noch etwas dauerte, bis die Herde die Straße verlassen würde, schalteten alle die Motoren aus.

zahme Rentierherde
zahme Rentierherde

Und plötzlich blieb die Herde wie auf Kommando stehen und rührte sich kein Stück mehr. Wahrscheinlich, weil der Anführer stehen blieb und die Glocke, die er um den Hals trug, verstummte. Die Tiere verharrten augenblicklich in ihrer Haltung, einige teilweise während des Gehens mit leicht angehobenen Beinen, andere beim Äsen. Das ging mindestens zwei Minuten, keine Regung, keine Geräusche, es war wie in einem Vakuum. Nicht einmal das Meer rauschte. Und Wind gab es auch nicht. Ich kam mir vor wie in einem Zeitloch in dem Film "The Langoliers". Warum die Tiere sich so verhalten haben, wussten wir nicht. Auch andere Touris zuckten nur mit den Schultern. War aber trotzdem irgendwie lustig anzusehen. :-)))

Ein ungeduldiger Passat-Fahrer machte dem Szenario aber dann ein Ende und fuhr zügig auf die Herde zu. Erst, als sich ein großes weißes Rentier (der Anführer mit Glocke) in Bewegung setzte, trotteten die anderen Tiere hinterher und verzogen sich auf den Seitenstreifen.

Rentiere
Spaßbremse Passatfahrer

Dann ging es weiter Richtung Olderfjord. Dieselbe Strecke, die wir gestern hingefahren sind. Allerdings dieses Mal nicht grau und nass, sondern bei strahlendem und wärmendem Sonnenschein, den wir absolut genossen.

Richtung Olderfjord
Richtung Olderfjord

Unsere Tanks waren fast leer als wir Olderfjord erreichten. Allerdings wurde der ohnehin stolze Preis für Benzin in Norwegen hier an der Tanke im Ort noch einmal getoppt. Mir war es ziemlich egal, ob wir nun 2 Cent auf einer anderer Tanke sparen würden oder nicht. Axel meinte aber, dass wir ja noch eine "Range" von 60 Kilometern hätten und erst einmal weiterfahren sollten. Ok, wenn der Tourguide das sagt...

traumhafte Fotokulisse
letzter Blick auf den Atlantik

Axel hatte im Navi nach der nächsten Tanke auf unserer Route gesucht und eine in etwa 30 Kilometern Entfernung gefunden. Die stand in Indre Billefjord und entpuppte sich als Tankautomat mit Karte. Wäre auch nicht weiter schlimm gewesen, wenn der Automat nicht kaputt gewesen wäre. Das sind dann die Momente, wo man leicht ins Schwitzen kommt und sich die missliche Situation auf die Gefühlslage niederschlägt. Dadurch wurde dann wiederum die neutrale Kommunikationsfähigkeit leicht beeinflusst und die Wortwahl entsprach nicht mehr der normalen Verwendung. Kurzum: wir haben uns richtig gefetzt. Scheiß Geiz, zickte ich. Scheiß Gezicke, zickte Axel. Den Rest erspare ich mir hier aufzuzählen. ;-)

Die Suche nach einer nächsten Tanke auf unserer Route ergab einen Treffer in weiteren 30 Kilometern. Mein Blick auf die Kraftstoffanzeige sagte mir, dass ich noch für 33 Kilometern Benzin im Tank hatte. Hui, das wird spannend, wenn es sich dabei dann auch nur um einen evtl. noch defekten Automaten handeln würde. Und dann fuhren wir auch schon weiter.

Nach exakt 31,8 Kilometern erreichten wir dann eine große Esso in der Stadt Lakself. Ich war erleichtert, als ich den Tank mit fast 32 Litern Sprit befüllte. Der Preis war hier übrigens genauso hoch wie in Olderfjord, umgerechnet fast 2,- EUR pro Liter. Aber Axel darauf hinzuweisen, verkniff ich mir.

Hier gaben wir unser letztes norwegisches Kleingeld bis auf den letzten Cent in Form eines Milcheises aus. Mittlerweile war es richtig warm geworden, wir stopften unsere Fleecepullis in die Alu-Koffer und wechselten Regen- gegen Sommerhandschuhe.

Der nächste Stopp erwartete uns dann in Karasjok kurz vor der Finnischen Grenze, welchen wir um 14:00 Uhr erreichten. Hier befand sich der Sapmi Park, ein Freizeitpark über das Leben der Samen, sowie das Sami-Parlament. Gerne hätten wir uns den Park einmal angeschaut. Leider sollte aber schon das Abstellen der Fahrzeuge hohe Gebühren kosten, welche wir nicht bereit waren zu bezahlen. Also musste ein Blick ins eingezäunte Gelände reichen und wir fuhren weiter zum Sami-Parlament.

Sapmi-Park
Gebäude des Sapmi-Parks

Samenfrau beim Fellewenden
Samen-Frau beim Fellewenden

"Sameting" ist die nordische Bezeichnung für die parlamentarischen Vertretungen des Volks der Samen in Finnland, Schweden und Norwegen. In jedem dieser drei Länder existiert eine Institution dieses Namens, die zur Aufgabe hat, die kulturelle Selbstbestimmung des Minderheitenvolkes umzusetzen. Der Name orientiert sich an den alten germanischen Thing-Versammlungen. Die alternative, international gebräuchliche Bezeichnung ist „Sami-Parlament“.

Sami-Parlament
Axel vor dem Sami-Parlament

Hier war ordentlich was los. Viele Reisebusse standen auf eigens für Touristen gebaute Parkplätze und ganze Scharen von Besucher machten sich auf den Weg, das Parlament zu besichtigen. Wir nicht, machten aber ein paar Fotos und fuhren schließlich weiter. Wir hatten Hunger und suchten nun nach einem geeigneten Rastplatz.

Den fanden wir kurz hinter dem Ortsausgang von Karasjok. War jetzt nicht der Burner, aber wir hatten Tisch und Bänke, aber leider auch jede Menge Mücken. Jetzt schien zwar die Sonne nicht mehr, trotzdem war es irgendwie richtig warm.

Pause bei Karasjok
Rastplatz bei Karasjok

Nach einem kräftigem Pott Kaffee und satt belegtem Brot kam wie immer auch die Müdigkeit. Am liebsten hätten wir uns hier für eine halbe Stunde aufs Ohr gelegt. Aber die Mücken halfen bei der Entscheidung, doch lieber weiter zu fahren.

Beim Hochnehmen der Jacke, die ich auf die Sitzbank des Moppeds gelegt hatte, passierte es dann. Meine Helmkamera, die ich zuvor auf der Jacke abgelegt und übersehen hatte, fiel zu Boden. Wie in Zeitlupe verfolgt man dann das Geschehen bis zum Aufprall und überlegt in Bruchteilen von Sekunden, was man jetzt noch tun kann. Ich sah mich in einem eleganten Hechtsprung über das Motorrad fliegen, während ich zeitgleich beim Abrollen die Kamera kurz vorm Aufschlagen mit der linken Hand abfangen konnte.

Ein "Krack" als Geräusch holte mich dann aber in die Realität zurück. Das ist so ein Geräusch, bei dem man eigentlich schon weiß, dass es nichts mehr zu reparieren gibt. Und wenn etwas herunterfällt, dann natürlich immer auf die empfindlichste Stelle. In diesem Falle die Linse, die sich nach Begutachtung nur noch als zersplittertes Trümmerfeld entpuppte. Ich war begeistert.

Der Versuch der Reparatur in Form des Einbaus einer Ersatzlinse scheiterte, da ich nicht die richtige Ausführung dabei hatte. [Ironiemodus ein]: Wieso eigentlich nicht? Schließlich gehen doch mindestens 4 Linsen pro Reise zu Bruch. :-((( [Ironiemodus aus]

Ok, dann wird es eben ab hier keine Fotos mehr von meiner neuen Drift Ghost S geben. Einerseits war ich richtig stinkig, andererseits aber auch froh, dass das Malheur erst hier passiert ist. Da ich noch eine zweite einfachere Drift-Kamera dabei hatte, die ich bisher als Kamera im Video-Modus am Mopped laufen ließ, funktionierte ich diese als Helmkamera um, damit wir wenigstens weiterhin ein paar Bilder während der Fahrt machen konnten.

Finnische Grenze

Kurze Zeit später erreichten wir die Finnische Grenze und fuhren nun auf der E92 schlappe 85 Kilometer Berg- und Talfahrt geradeaus.

Grenze zu Finnland
Grenze zu Finnland

Wir waren mutterseelenallein. Die Gegend wirkte wie sandiger Boden mit grünem Gestrüpp. Laut Navi sollten sich links und rechts kleine Seen befinden. Die sahen wir aber nicht, sondern nur sich abwechselnde Hügel und Senken der vor uns liegenden Straße. Das war jetzt kein Kurvenspaß, trotzdem machte die Strecke richtig Laune. Spannend waren immer die Hügel, weil man nicht wusste, ob dahinter eine Herde Rentiere auf der warmen Straße lauerte, denn wir waren hier ja in einem Rentierzuchtgebiet. Wenn man dort mit 100 Km/h reinbrettern würde, wäre das bestimmt weniger spaßig gewesen.

Rentierzuchtgebiet
Rentierzuchtgebiet

Berg- und Talbahn
Berg- und Talbahn...

85 km geradeaus
...und 85 Kilometer geradeaus

Inari

Gegen 16:30 Uhr erreichten wir die Stadt Inari, am gleichnamigen größten See Finnlands gelegen. Schon von weitem sahen wir den riesigen See und suchten nach einem geeigneten Platz für ein schönes Foto. Mehr durch Zufall fanden wir diesen auf dem Parkplatz eines Campingplatzes mit angeschlossenem Hotel, welcher sich "Holiday Village" nannte und vom Preis her nichts Gutes ahnen ließ. Aber die hatten auch Hütten hier... und warum nicht mal früher Schluss machen als an den vergangenen Tagen?

Also ging Axel in die Rezeption, um zu fragen. Gerade noch rechtzeitig, denn diese schloss um 17:00 Uhr. Trotz des Andrangs am Counter, weil dieser zugleich Rezeption und Bar war, hatten die finnischen Betreiber die Ruhe weg.

30 Minuten später hatten wir den Schlüssel zu einer Hütte und kauften erst einmal im 400 Meter entfernten Supermarkt ein. Und nachdem wir unsere Hütte bezogen hatten (in der uns 60 °C beim Öffnen entgegen schlugen, weil ein Elektroofen mit maximaler Power geheizt hatte), gönnten wir uns unser Etappenabschlussbierchen direkt davor. Schön, dass wir heute mal etwas eher Feierabend gemacht hatten.

Inari See um 18:00 Uhr
Inari See um 18:00 Uhr

Nach dem Abendessen gesellten wir uns zu anderen Gästen, die sich direkt am See aufhielten. Hier lernten wir auch eine deutsche Reisegruppe kennen, die für 16 Tage mit "Rollenden Hotels" unterwegs war. Das eine "Rollende Hotel" war nichts anderes als ein riesengroßer Reisebus mit fast 40 integrierten Schlafkojen. Das andere Hotel war ein Reisebus, der aber noch zusätzlich von einem Unimok begleitet wurde, welcher wiederum den Schlafanhänger zog. Letzteres hatte den Vorteil, dass der kleinere Reisebus etwas wendiger war, während der Unimok am nächsten Tag auf direktem Weg zum Ziel fahren konnte. Was es nicht alles gibt...

Axel um 22:00 Uhr
Axel vor dem See um 22:00 Uhr...

Den Abend jedenfalls verbrachten wir bis fast 1:00 Uhr Ortszeit (Zeitzone +1) und sahen das erste Mal, dass die Sonne hier wirklich nicht unterging. Das war alles so unwirklich und doch so schön. Faszinierende Bilder einer wunderschönen Landschaft...fast wie im Film.

Inari See um 1.00 Uhr
...und Sonne um 1:00 Uhr nachts

Gesehene Rentiere: >50
Gesehene Elche: 0
Gesehenes sonstiges Spring-Gedöns: 0

Gefahrene Kilometer Nordkap - Inari: 358,7

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