Tour durch die Norddeutschen Hansestädte

 

 

Hansestadt Wolgast

Am nächsten Morgen frühstückten wir ausgiebig und lecker und verfolgten die Wetterwarnungen im Radio wegen möglichen Tornados, Hagelkörnern bis 3 cm und schwerstem Starkregen für diese Region, aus Westen kommend. Hm, klang jetzt nicht so prickelnd, denn genau da wollten wir hin.

Beim anschließenden Anschmeißen der Maschinen und der Navis stellte Axel mit Verwunderung fest, dass wir gestern einfach vergessen haben, die Hansestadt Wolgast anzufahren. Das kann nur daran gelegen haben, weil es um Greifswald großräumige Sperrungen gegeben hat und Axel irgendwann den direkten Weg zur Juhe ins Navi eingegeben hatte. Machte ja nichts, dann fahren wir eben "dieses Stückchen" zurück. Das Navi sagte 30 Minuten bis zum Ziel, als wir um kurz nach 9:00 Uhr bei leichtem Nieselregen starteten.

Etwas verwundert war ich, als das Navi uns rechts herum bei der Ausfahrt lotste, wir gestern aber von links gekommen waren. Aber "Steffi" und "Yannik" werden schon wissen, was sie uns ins Ohr flüstern. Bereits nach 3 Kilometern sollten wir die Hauptstraße verlassen. Was dann folgte, war eigentlich keine Straße mehr, sondern ein einziger großflächig mit Katzenbuckel-Kopfsteinpflaster ausgebesserter Schotterweg. Neben 30 cm tief mit Wasser gefüllten Löchern auf der Fahrbahn (welche Fahrbahn überhaupt?) glänzte der Weg auch noch mit glitschigem Moosbewuchs. Na, super. Einziger Trost war, dass vor uns ebenfalls 2 Autos in diesen Weg eingebogen waren, also konnten wir so falsch nicht liegen.

Nach 5 Kilometern kamen wir wieder auf eine Hauptstraße und wurden gleich eines Besseren belehrt. Das Hinweisschild "Wolgast 20 KM" war durchgestrichen und ein entgegenweisendes Umleitungsschild sagte uns "da geht´s lang". Das Navi rechnete sich einen Wolf und wollte uns immer wieder zurück schicken, aber wir folgten der Umleitung...und folgten...und folgten....bis wir nach gefühlten 20 Kilometern wieder auf die Strecke hinter Greifswald kamen. Als wir dann Wolgast erreichten, hatten wir etwa 50 Kilometer mehr auf dem Tacho als geplant...und natürlich auch jede Menge Zeit verloren. Zum Glück hatte es aufgehört zu nieseln.

In Wolgast konnten wir dann das Ortsschild fotografieren, fanden aber das Rathaus nicht gleich. Überall Fußgängerzonen, die das Navi scheinbar nicht kannte. Auch hier drehten wir etliche Ehrenrunden, bis wir unmittelbar neben dem Rathaus in einer "nur für Lieferanten"-Zone parken konnten. Wir waren unsicher, ob sich Wolgast denn nun Hansestadt Wolgast nennt oder nicht. Am Ortsschild hatten wir keine Bezeichnung gefunden, am Rathaus ebenso wenig. Wir fragten umherschleichende Passanten, aber keiner hatte richtig Ahnung. Einer meinte wortwörtlich, Wolgast hätte das damals "verkackt". Machte uns jetzt auch nicht schlauer, aber wir hatten zumindest Fotos vom Rathaus und vom Schild.

Späteres Recherchieren zeigte, dass Wolgast tatsächlich zu den Hansestädten (siehe Auflistung 'Ostseeküste westlich der Oder') gehörte. Allerdings hat Wolgast nie eine wirklich große Rolle in der Hanse gespielt und auch keine Unabhängigkeit erreicht. Mehr Infos dazu gibt es hier.

Ortsschild und Rathaus in Wolgast
Ortsschild und Rathaus in Wolgast

Hansestadt Anklam

Um 10:40 erreichten wir dann wieder über Umleitungen die Hansestadt Anklam, dem Geburtsort von Otto Lilienthal. Das Ortsschild konnten wir ebenso schnell fotografieren wie wir das Rathaus fanden, da es sich auf einem mal ausnahmsweise nicht für den Verkehr gesperrten Marktplatz befand. Schön war es hier. Die Sonne kam leicht durch die Wolken und es waren schon wieder 25 °C. Von Tornados und Hagelkörner war Gott sei Dank noch nichts zu sehen.

Ortsschild und Rathaus in Anklam
Ortsschild und Rathaus in Anklam

Hansestadt Demmin

Knapp 1 Stunde später erreichten wir locker und entspannt die Hansestadt Demmin, die den Namenszusatz Hansestadt auch erst wieder seit 1994 trägt. Axel hatte als Waypoint noch eine alte Ruine eines pommerschen Fürstenhauses entdeckt, die wir uns anschauen wollten. Der Weg war schmal und schotterig und ich schickte Axel alleine mit der Knipskiste voraus.

An der Ruine fand Axel ein Schild, auf dem als letzter Besitzer des Hauses Demmin, ein Hansjoachim von Rohr aufgeführt war. Den kannten wir jetzt nicht, wohl aber jemanden mit dem doch seltenen Nachnamen aus unserem früheren Umfeld. Mag ja auch alles nur Zufall sein, aber trotzdem setzt man sich schon viel mehr mit der Geschichte auseinander und fragt sich, ob da ein Zusammenhang besteht...

Ruine Hausa Demmin
Ruine Haus Demmin

Am Demminer Rathaus "schoss" Axel anschließend dann quasi vorbei. Das irritierte mich etwas und ich bog, nach einer kleiner Vollbremsung, direkt auf den Vorplatz zum Rathaus ein. Ich hatte Axel aus dem Blickfeld verloren. Nix von ihm zu sehen. Wenden konnte er nicht, weil es eine Einbahnstraße war.

Ich wartete und wartete, versuchte eine Funkverbindung aufzubauen, was aber misslang. Ein erneuter Versuch per Telefon klappte dann und Axel fragte, wo ich sei und sagte, dass er direkt vor dem Rathaus stehen würde. Tja, da stand ich auch, aber kein Axel. Nach einigem Hin und Her erklärte sich das Geschehen. Axel hatte gerade im Anflug auf das Rathaus mit seiner Schwester telefoniert. Und da Männer nun mal nicht multitasking-fähig sind, ist er einfach am Rathaus vorbeigefahren und befand sich nun auf der Rückseite des Gebäudes. Machte ja nichts, dank Funk hatten wir uns kurze Zeit später wieder.

Ortsschild und Rathaus Demmin
Ortsschild und Rathaus Demmin

Hansestadt Havelberg

Um 12:00 Uhr verließen wir Demmin. Ab hier lagen nun knapp 180 Kilometer vor uns bis zur nächsten auf der Route liegenden Hansestadt Havelberg. Es war wenig los auf den Straßen und das Fahren machte Spaß. Eine kleine Pause machten wir in Waren an der Müritz bei McDonald´s mit einem Smallmenü. Erst hier zogen wir die Regenklamotten aus, da wir es einfach bei diesem Temperaturen um die mittlerweile 30 °C nicht mehr aushielten. Zwar zeigte der Himmel immer wieder dunkle Wolken vor uns, aber das war uns jetzt egal.

Leider verlängerte sich unsere Pause um locker 20 Minuten, da ich beim Aufsetzen des Helmes erkannte, dass dort im Inneren lockere Plastikteile rumhingen. Das erklärte auch den Druckschmerz, den ich seit einiger Zeit am linken Ohr hatte. Eine genauere Untersuchung ergab, dass das Headset leider nicht so ganz fachmännisch eingesetzt worden war und sich nun gelöste hatte. Zum Glück ist man ja "patent". Die Reparatur dauerte aber...dann konnten wir endlich weiter. Beim nächsten Besuch im 'Shop unseres Vertrauens' werde ich aber auf jeden Fall noch ein Einzelgespräch führen.

Wenige Kilometer nach unserer Weiterfahrt erkannten wir am Straßenzustand, dass gerade unmittelbar vor uns ein Gewittersturm mit Starkregen runter gekommen sein muss. Die Straße schwamm und überall lagen abgerissene Blätter oder ganze Äste herum. Da haben wir ja noch mal richtig Glück gehabt...vielleicht war die Reparatur am Helm tatsächlich so eine Art Fügung...

Bei Malchow ging es für ungefähr 40 Kilometer auf der A19 bis Wittstock. So konnten wir doch erst einmal ordentlich Strecke machen. Von der Ausfahrt Wittstock bis zur Hansestadt Havelberg waren es aber auch immer noch 50 Kilometer.

Gegen 15:00 Uhr erreichten wir Havelberg und kurze Zeit später oder besser gesagt nach 2 Ehrenrunden das Rathaus.

Ortsschild und Rathaus Havelberg
Ortsschild und Rathaus Havelberg

Hansestadt Werben

Bereits "nur" 10 Kilometer weiter, aber immerhin 40 Minuten später, erreichten wir die Hansestadt Werben (nie davon gehört). Werben ist die drittkleinste Stadt in Sachsen-Anhalt und gehört zu den 20 kleinsten Städten in Deutschland (Stand 2014).

Das späte Erreichen lag daran, dass Werben von Havelberg aus nur über eine kleine Gierseilfähre zu erreichen war. Der Rumpelweg zum Anleger konnte aufgrund seiner Beschaffenheit auch nur entweder schnell im Stehen oder kriechend im Sitzen bewältigt werden. Bei so manchem Schlagloch spürte man schon sämtliche Wirbel im Rücken. Und bei unserer Ankunft befand sich die Fähre natürlich auf der gegenüber liegenden Seite.

Wir mussten etwa 15 Minuten warten bis wir auf die Fähre fahren konnten. Der Preis für eine Überfahrt war auch nicht ohne. Trotzdem irgendwie ein schönes Gefühl, so lautlos über das Wasser zu schweben und nichts als die Natur mit dem Rauschen des Wassers und mit der Vielzahl an Vogelstimmen zu hören.

Gierseilfähre bei Werben
Gierseilfähre bei Werben

Der weitere Weg von der Fähre zur Hansestadt Werben war auch nicht besser als der Weg zum Anleger. Knüppeldamm mit Holterdipolter. Machte eher uns als unseren Maschinen was aus.

Hansestadt Werben
Hansestadt Werben

Das Rathaus erreichten wir um 16:10 Uhr und machten unser Beweisfoto. Bisher waren wir immer noch nicht nass geworden. Ein Blick aufs Regenradar ließ mich erkennen, dass wir  die angesagte Schlecht-Wetterfront mit möglichen Tornados irgendwie umfahren sind. Wir hatten ausgesprochen Glück. Allerdings lagen wir doch ziemlich in Verzug mit der Zeit. Die zusätzliche Tour nach Wolgast sowie die etlichen Ehrenrunden in den einzelnen Hansestädten hatten doch ziemlich viel Zeit gekostet. Die nächsten 3 Hansestädte lagen jeweils nur wenige Kilometer von einander entfernt. Also, weiter.

Erwähnenswert wäre noch, dass ich hier in der Einöde tatsächlich LTE hatte. Das bekomme ich sonst nicht einmal in Touristenhochburgen an der Ostsee... ;-)

Rathaus Werben
Axel vor dem Rathaus in Werben

Hansestadt Seehausen

Um 16:30 Uhr kam die Hansestadt Seehausen in Sicht. Auch von dieser Stadt hatte ich vorher noch nie etwas gehört. Das Rathaus war gut zu erreichen, aber schlecht zu fotografieren, da es unmittelbar an einer kleineren Straße lag, das Gebäude aber selber schon etwas gewaltiger war und so durch die Dimensionen nicht in die Linse der Kamera passte. Also mussten wir ein Stückchen weiterfahren und hielten in einer Parkbucht, um rückwärts ein Foto des Rathauses zu schießen.

Ankunft in Seehausen
Ankunft in Seehausen

Rathaus Seehausen
Rathaus Seehausen

Für diesen kurzen Augenblick ließen wir die Maschinen im Leerlauf weiterblubbern. Just in diesem Moment ging ein vielleicht 4-jähriges Mädchen an der Hand ihrer Mutter vorbei und kiekste im hochfrequenten Kleinkinder-Gebrabbel"...wieder diese hässlichen Motorräder, Mama." Axel und ich schauten uns an, dann die Göre und dann die Mutter, der die Aussage ihrer Tochter nicht ansatzweise peinlich war und von der nur ein "...so was sagt man nicht..." kam. Über Geschmack kann man bestimmt streiten, doch ich frage mich, ob ein Kleinkind wirklich schon Ästhetik und Schönheit beurteilen kann oder einfach nur das nachplappert, was sonst die Eltern so von sich geben. Mir lag ein kurzer "...ey, du Rotzlöffel, ich werd dir was..." auf der Zunge, verwarf den Gedanken aber mit Blick auf die Ghetto-Mutter wieder. Trotzdem hätte ich nicht schlecht Lust gehabt, der Göre samt Mutter ein Softeis ins Gesicht zu drücken.

Hansestadt Osterburg

Um 16:45 Uhr waren wir dann in Osterburg und erreichten schließlich das Rathaus. Auch hier war wenig los, das Rathaus lag direkt an einer Straße, die wir allerdings auch erst suchen mussten. Ein paar Jugendliche standen umher, beäugten uns und ich wartete auf dumme Sprüche. Von denen kam aber nichts, war auch besser so, sonst hätte ich vielleicht doch noch ein Softeis gekauft... ;-)

Hansestadt Osterburg
Ankunft in Osterburg...

Rathaus in Osterburg
...und Rathaus

Hansestadt Stendal

Um 17:10 Uhr erreichten wir Stendal. Hier waren wir bereits auf unserer Rolandtour in 2010 gewesen und konnten uns noch schwach dran erinnern, dass der Roland sowie das Rathaus sehr versteckt und schlecht motorisiert zu erreichen waren, da auch hier irgendwie alles nur aus Einbahnstraßen bestand. Und so war es dann auch... Nach diversen Ehrenrunden fanden wir Roland und Rathaus dann aber doch, machten Fotos und konnten weiterfahren. Mittlerweile hatte sich der Himmel nun zugezogen, es nieselte minimal und die Schwüle drückte.

Hansestadt Stendal
Ortsschild und Rathaus Stendal

Hansestadt Gardelegen

Die nächste Hansestadt Gardelegen war schon fast in Sicht. Auf einer breiten Bundesstraße konnten wir die Maschinen wieder etwas laufen lassen. Axel überholte einen LKW, ich folgte. In der Ferne, als ich etwa auf gleicher Höhe mit dem LKW war, bemerkte ich einen entgegenkommenden, wild aufblendenden und hupenden Autofahrer, der geschätzt aber noch locker 400 m von mir entfernt war. Ich fragte mich, was er für ein Problem hatte. Als ich nach dem Überholen vor dem LKW wieder in die rechte Fahrbahn einscherte, knallte er auch schon mit grenzwertig überhöhter Geschwindigkeit immer noch wild hupend und aufblendend knapp an der Mittellinie (!!!) und damit an mir vorbei. Aha, ein Motorradhasser also...der hatte es tatsächlich auf mich abgesehen und voll drauf gehalten. Ich denke, dass er keinen Zentimeter nach rechts ausgewichen wäre, wenn ich den LKW nicht rechtzeitig hätte überholen können. Die Bundesstraße war breit und gut ausgebaut, da hätten locker 3 LKW nebeneinander Platz gehabt. Dieser Autofahrer hätte aber lieber meinen Tod in Kauf genommen statt auszuweichen, da war ich mir sicher. Ich war fassungslos...

Das Finden des Rathauses gestaltete sich ebenfalls wieder schwierig. Ich fragte mich nur, warum das Navi uns immer wieder in Straßen lotste, die für den Verkehr gesperrt oder Fußgängerzonen waren. Durch dieses ewige Suchen und Einkreisen hatten wir heute bestimmt 2 Stunden Zeit verloren. Irgendwann fanden wir dann das Rathaus, durften aber nicht direkt davor fahren. Also blieb hier nur ein Foto ohne Moppeds.

Ortsschild und Rathaus in Gardelegen
Ortsschild und Rathaus in Gardelegen

Bei der Planung der Tour hatte Axel in Internet eine günstige Übernachtungsmöglichkeit für Monteure entdeckt, die wohl auch Platz für Durchreisende anbieten sollte. Das war unmittelbar hinter dem Ortseingang von Salzwedel. Super, haben wir auch gleich gefunden....war nur leider geschlossen.

Auf der Strecke zwischen Gardelegen und Salzwedel hatte Axel vorher eher unbewusst eine Art Gasthof oder ähnliches aus den Augenwinkeln heraus bemerkt. Mittlerweile regnete es stärker und wir hatten keine Lust mehr weiterzufahren. Trotzdem entschlossen wir uns kurzerhand, die paar Kilometer zurückzufahren, um nach einem Zimmer zu fragen. Der Gasthof entpuppte sich dann aber als exquisites Land- und Tagungshotel. Es war 18:45 Uhr als Axel wieder rauskam und nur eine Zahl nannte: 89. Ich saß immer noch auf dem Mopped und fing sofort an, im Navi nach Übernachtungsalternativen zu suchen, denn wir waren uns wortlos einig, dass wir das nicht bezahlen wollten.

Nach 2 weiteren Telefonaten mit verschiedenen Unterkünften und Absagen bzw. noch teureren Zimmern kam plötzlich die Dame von der Rezeption zu uns nach draußen und fragte, was wir denn bereit wären zu zahlen. Nachdem wir ihr unseren maximalen Preis genannt hatten, rümpfte sie die Nase und bot uns für 3 EUR mehr die Nacht ein Doppelzimmer im Hotel an. Wir schlugen sofort ein.

Die Moppeds konnten wir komfortabel hinterm Haus abstellen. Jetzt schnell duschen und dann freuten wir uns auf ein leckeres Abendessen, bei dem wir noch einmal das heute Erlebte Revue passieren ließen. Die Überholaktion mit dem Motorradhasser musste mental erst einmal abgearbeitet werden und wir haben doch noch eine ganze Zeit darüber geredet. Axels nachdenkliche Worte dazu waren: "Auf deinem Grabstein hätte dann gestanden: Er hatte Zeit zum Hupen und Aufblenden...aber nicht zum Ausweichen!"

Heute gefahren: 435,9 KM

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