Single Track Roads, Glenfiddich und Nessie
Die Nacht war trotz fast voller Bettenbelegung relativ ruhig und wir sind entspannt, als wir um 8:00 Uhr am Frühstückstisch sitzen. Unser eigenes Frühstück schmeckt uns wie immer gut und wir genießen den heißen Kaffee. Draußen ist es noch feucht, aber sonnig. Laut Wettervorhersage soll es ein schöner sonniger Tag werden.
Frühstück im Youth Hostel in Braemar
Seit gestern macht sich leider wieder Rosazea in meinem Gesicht bemerkbar und ich schütze meine Stirn mit einem weiteren Buff vor Schweiß. Axel meint, ich sähe wie eine Muslime aus. Aber besser so, als eine mit gefühlten Nadelstichen perforierte und entzündete Haut unterm Helm.
Um 8:45 Uhr ist alles verstaut und wir setzen uns bei frischen Temperaturen und strahlendem Sonnenschein in Bewegung. Gestern haben wir entschieden, die heutige Route etwas abzukürzen und den Schlenker durch den Südwesten des Cairngorm Nationalparks nicht zu fahren. Axel sucht im Garmin nach einer nördlichen Alternativroute, um dort wieder auf die ursprünglich geplante Tour zu stoßen. Auf jeden Fall müssen wir einige Kilometer zurück fahren, denn eine große Auswahl an Straßen haben wir nicht.
Nach etwa 20 Kilometern entdeckt Axel dann links in Höhe des Balmoral Castle eine schmale Straße und checkt schnell, dass uns diese wieder nach zig Kilometern auf unsere eigentliche Route führen wird. Was dann kommt, ist eines der ungeplanten Highlights der gesamten Tour. Nach einem kurzen Abschnitt durch dichten Wald schlägt uns plötzlich die geballte Schönheit der Highlands entgegen. Auf der "Single track road with passing places" sind wir fast alleine und dürfen diese zauberhafte Landschaft inhalieren.
wunderschöne Gegend
Bergig, baumlos, die Straße schmal und ein einziges Auf und Ab. Hin und wieder kommt uns doch ein Fahrzeug entgegen. Und hier gilt die einfache Regel: Wer zuerst den Ausweichpunkt erreicht, wartet. Und es wird sich beim Vorbeifahren jedesmal freundlich dankend zugenickt oder kurz die Hand gehoben oder beides.
Passing Places
Traumhaftes Highland
Wir können uns gar nicht satt sehen. So haben wir uns Schottland vorgestellt und diesen Weg jetzt nur durch Zufall gefunden. Was für ein Glück. Auffällig ist hier allerdings, dass jede Menge toter Tiere auf der Straße liegen. Das geht von Mäusen, über Frettchen & Co. bis hin zu Schafen. Mich wundert es ein wenig, da es hier ja nun gerade nicht von Autos wimmelt.
Kaum ausgesprochen, huscht von rechts ein suizid gefährdetes Wiesel oder Ähnliches heran und gerät unter Axels Motorrad. Das Qieken des Tieres ist so laut, dass ich es sogar noch unterm Helm höre. Doch wie ein Wunder geschieht dem Tier scheinbar nichts und ist wohl genau zwischen den beiden Rädern hindurch gelaufen. Denn mit etwa 6 Auerbacher-Rollen macht es sich Millisekunden später in Windeseile nach links vom Acker. Noch mal Glück gehabt...
Nach etwa 20 Kilometern verlassen wir die Single track road und nach weiteren 10 Kilometern erreichen wir mitten in den Highlands den Parkplatz einer Skischule. Hier testen wir nun zum ersten Mal unsere mitgenommene Drohne Breeze. Noch unsicher und aufgeregt lasse ich sie bis auf 40 Metern steigen. Mehr traue ich mich aufgrund des Windes nicht. Ob die Aufnahmen was geworden sind, können wir uns aber erst später anschauen.
Aufnahme der Yuneec Breeze bei 40 Metern
Highland Tourist Route
Um 10:30 Uhr geht´s dann weiter auf der "Highland Tourist Route" durch die Grampian Mountains.
Highland Tourist Route
Bei Tomintoul biegen wir rechts ab und kurze Zeit später verlassen wir die Highlands. Wir befinden uns nun auf dem "Malt Whisky Trail", der, wenn man ihm folgt, zu einer historischen und sieben aktiven Whisky-Brennereien führt.
Malt Whisky Trail
Kurz nach 11:00 Uhr erreichen wir dann auch die Glenfiddich Destillerie. Nach einer Ehrenrunde über das Betriebsgelände und einem weiteren Video im Kasten fahren wir weiter, denn Whiskytasting interessiert uns jetzt und nun nicht wirklich.
Glenfiddich Destillerie
Eine halbe Stunde später erreichen wir die Craigellachie-Bridge, eine gusseiserne Brücke, die im frühen 19. Jahrhundert erbaut wurde.
Craigellachie Brücke
Ich habe keine Ahnung, wie man diese Namen eigentlich genau ausspricht. Das gleiche gilt auch für diverse Orts- und Dorfnamen wie z.B. Maggieknockater oder Auchlunkart, durch die wir gefahren sind. :-)
Maggieknockater
Durch den Ort Keith und vorbei an der Strathisla Destillerie fahren wir weiter über Elgin und erreichen um 13:00 Uhr die Findhorn Bay an der Moray Firth Bucht der Nordsee. Von hier aus haben wir einen fastastischen Blick über einen schönen Strand auf das Wasser. Das Meer, die Berge im Hintergrund und der Himmel scheinen sich bei den momentan herrschenden Lichtverhältnissen am Horizont zu vereinen. Wir machen ein paar Fotos, denn es sieht einfach nur traumhaft aus.
Findhorn Bay an der Moray Firth Bucht
Unser nächster Stopp ist das 30 Kilometer entfernte Inverness, Hauptstadt des schottischen Verwaltungsbezirks Highland. Auf dem Weg dahin schrammen wir noch am Culloden Battlefield vorbei, halten aber nicht an.
Hinweisschild zum Culloden Battlefield
Dann erreichen wir bei fast 26 °C Inverness und damit den Punkt, wo der Fluss Ness in den Moray Firth fließt. Inverness hat einen historischen Hintergrund, denn hier auf der Burg soll Macbeth im 11. Jahrhundert regiert haben.
Das Stadtzentrum ist nur über Brücken zu erreichen und so stehen wir wie die anderen tausenden von Touris wie erwartet an zig Ampeln in dicken Staus.
Wir erreichen Inverness
An einer Ampel entdecke ich einen Laden mit "Highland Schoolwear - the uniform shop" und frage mich spontan, warum es so was eigentlich nicht bei uns gibt. Leider kann ich von außen nicht erkennen, wie denn die Schulkleidung ausgesehen hat. Interessiert hat es mich aber schon.
Inverness verlassen wir gegen 14:30 Uhr. Ab nun begleitet uns "Loch Ness" auf Schildern und allem, was sich irgendwie vermarkten lässt. Loch Ness Hotel, Loch Ness Guest House, Loch Ness Cafe, Loch Ness Lodge usw. Die Auflistung könnte hier noch endlos weitergehen.
Loch Ness
Wenig später haben wir dann einen ersten schönen Blick auf das sagenumwobene Loch (im Engl. "Lock" gesprochen). Trotz der hochsommerlichen Temperaturen weht hier ein starker Wind, welcher die Wellen unruhig ans Ufer schlagen lässt. Loch Ness ist mit seinen 230 m Tiefe der zweittiefste See der britischen Inseln und mit seinen 38 km Länge und 1,5 km Breite der zweitgrößte See Schottlands, allerdings durch Nessie wohl auch der bekannteste aller Seen.
Blick auf Loch Ness
Zwar sehen wir nichts, was nach Ungeheuer aussieht (außer vielleicht bei einem Blick in den Spiegel), können uns aber vorstellen, dass die Mischung aus rauhem tiefdunklen See, den umliegenden dunklen Bergen und des auf der Wasseroberfläche reflektierenden Lichts bei einigen eine rege Fantasie ankurbeln kann.
Beweisfoto Loch Ness
...und noch mehr nützliches Wissen
Auch wir wollen dem Mythos auf den Grund gehen und fahren zum Zentrum des Nessie-Tourismus in den für uns unaussprechbaren Ort Drumnadrochit. Hier gibt es das "Loch Ness Centre & Exhibition".
Die Parkplätze vor dem Gebäude sind leider alle für Busse reserviert und so müssen wir einen steilen Weg nach oben fahren und uns oben einen suchen. Auch hier gibt es extra Parkplätze für Motorräder. Doch dabei wurde sicherlich nicht berücksichtigt, dass Motorradfahrer dicke Schutzkleidung tragen und der Abstieg ins Besucherzentrum anstrengend ist. Keuchend und schwitzend bei immer noch 25 °C erreichen wir dann den Eingang.
Loch Ness Centre & Exhibition
Die Ausstellung umfasst 7 Themenbereiche rund ums Loch Ness und stellt Wissenswertes von den Anfängen bis ins 3. Jahrtausend aus. Interessant....nicht aber für 8 £ Eintritt pro Person.
Das einzige frei zugängliche Ausstellungsstück ist das Tauchboot, mit dem seinerzeit nach Nessie gesucht wurde.
Nessie-Suche per Tauchboot
Wir canceln also den geplanten Besuch des Centers und suchen noch im angrenzenden Souvenirshop nach geeigneten Mitbringseln, die wir in Form von kleinen Nessiefiguren (was auch sonst) finden.
Um 16:00 Uhr sitzen wir wieder auf den Moppeds und fahren am Abenteuerpark "Nessieland" vorbei in Richtung Dinkwall, welches wir dann auch gegen 17:00 Uhr erreichen. Heute soll hier unsere Etappe enden und wir wollen uns eine B+B-Übernachtung gönnen. Jeder, der bereits in Schottland war, hat uns diese Art der Unterbringung wärmstens empfohlen. Also beginnen wir mit der Suche...
Dank des vereinfachten Internetzugangs innerhalb der EU kann ich nun zu gleichen Bedingungen wie zu Hause surfen und finde auch sogleich ein B+B Angebot ganz in der Nähe mit sehr guten Rezensionen. Wir geben die Adresse ins Garmin ein und fahren los.
Dinkwall ist eine kleine Stadt und besteht aus einer Vielzahl Einbahnstraßen. Letzteres ist dann auch der Grund, warum wir nicht wenden können und mitten in einen riesengroßen Haufen Fans geraten, die ihr Fußballteam gerade bei einem Regionalspiel mental unterstützt hatten und sich nun zum Teil lustig angeschwipst über die schmale Straße vom Fußballplatz kommend ergießen.
Fans des Ross County Football Clubs auf dem Heimweg
Keine Chance zum Entkommen. Und so bleibt uns nur, am Ende der Straße auf den Parkplatz des Stadions zu fahren und abzuwarten, bis das Spektakel ein Ende hat.
Gegen 18:00 Uhr fährt dann der Letzte vom Platz und wir hinterher. Diese Einlage hat uns eine gute halbe Stunde gekostet.
Das von uns angestrebte B+B befindet sich nur 500 m weiter. Wir stellen die Moppeds auf einem gegenüber liegenden Parkplatz ab. Ich klingele und warte, klopfe und warte....keine Reaktion, obwohl die Tür weit offen steht. Ich klingele erneut...nichts passiert.
Nebenan entdecke ich ein weiteres Haus mit einem Schild "B+B - vacancies" und versuche dort mein Glück. Leider wiederholt sich hier das gleiche Spiel. Abwartend und überlegend bleibe ich noch vor dem Haus stehen und sehe plötzlich schemenhaft jemanden hinter der oberen Fenstergardine stehen. Aha, also doch jemand zu Hause. Erneut betrete ich das Grundstück und klingele und klopfe, dieses Mal aber alles zusammen. Keine Reaktion, und langsam schwillt mir der Hals.
Alle weiteren Häuser, die hier in Reih und Glied stehen und "B+B" anbieten, haben aber leider "no vacancies", wie es bereits auf den Schildern zu erkennen ist.
Axel verdreht bereits die Augen, zeigt auf die Uhr und winkt mich zurück. Der krönende Abschluss ist dann, als ich in genau dem Vorgarten, in dem ich eben gestanden hatte, eine kleine hutzelige Frau in geduckter Haltung huschen sehe, die schnell das Schild "vacancies" gegen "no vacancies" wechselt und ebenso schnell wieder ins Haus verschwindet.
Etwas sprachlos und als letzten Gruß möchte ich denen am liebsten die Tür eintreten. Als Ersatzbefriedigung bekommen sie von mir auf jeden Fall erst einmal eine 1-Stern-Rezension. Das habt ihr nun davon...
Ich fahre mich nur langsam runter, bin innerlich immer noch stinkig und überlege, woran es gelegen hat. Mochten die keine Motorradfahrer? Oder waren die aufgrund meiner Gesichtsverhüllung wegen der Rosazea irritiert? Gut, eine Antwort bekomme ich nicht mehr und muss nun dumm sterben.
Im nahe liegenden Lidl decken wir uns erst einmal mit Wasserflaschen, Cola, Bierchen, Gurke und ein paar Geflügelwiener auf die Hand ein. Mittlerweile ist es fast 19:00 Uhr und wir haben immer noch keine Unterkunft gefunden. Von einem Motorradfahrer, der dort ebenfalls gerade hält, bekommen wir den Tipp, auf dieser Straße einfach weiterzufahren, 2x links abzubiegen und dann würden da schon zwei oder drei Hotels auftauchen.
das Royal Guest House in Dinkwall
Gesagt, getan, und das erste, was wir erreichen, ist das Royal Guest House, das oberhalb eines Snooker und Pool Clubs liegt. Gästehaus klingt aber schon mal gut. Axel verschwindet im Inneren und es dauert eine zeitlang, bis er wiederkommt.
"65,- £ mit Frühstück. Die haben nur noch 1 Zimmer ohne Bad und WC. Das befindet sich auf dem Flur. Unter normalen Umständen würde ich weiterfahren." Axel wirkt nicht erfreut und ich gehe ins schräg gegenüber liegende National Hotel, um nach deren Preisen und Verfügbarkeiten zu fragen.
120,- £ ohne Frühstück nimmt uns dann die Entscheidung ab. Wir checken im Royal Guest House ein. Beim Betreten des Zimmers rümpfe ich die Nase. Alte Möbel, keine richtigen Gardinen, zerschlissener Teppich...dafür aber einen TV der neusten Generation, nett drapierte, gut riechende Handtücher auf dem Bett mit Willkommen-Naschi und saubere Bettwäsche. Auch ein Wasserkocher mit 2 Tassen und in Portionen abgefüllter Pulverkaffee steht bereit. Allerdings haben wir hier ja im Zimmer kein Bad und somit kein nutzbares Wasser.
Den "königlichen" Royal-Standard habe ich mir anders vorgestellt...
königliches Zimmer im Royal Guest House in Dinkwall
Es ist 20:00 Uhr, wir sind hungrig und müde und breiten erst einmal unsere Sachen im ganzen Zimmer aus. Wir nutzen jede Ablage wie Fensterbank, Nacht- und Fernsehtisch, da auch mein komplettes Kameraequipment sowie unsere Helme aufgeladen werden müssen.
Die Moppeds dürfen wir nicht vor dem Haus stehen lassen und müssen sie in einer Seitenstraße parken.
[Ironiemodus: an] Ein Blick ins Nebenzimmer zeigt uns dann aber, dass es uns auch noch hätte schlimmer treffen können. [Ironiemodus: aus]
Blick ins Nebenzimmer
Scheinbar renovieren die gerade Zimmer für Zimmer. Das erklärt auch, warum hier relativ wenige oder besser gesagt, kaum weitere Gäste zu sehen sind.
Der Hunger treibt uns voran und wir gehen noch in die Stadtmitte. Hier findet gerade irgendein Fest statt und wir 2 Hamburger zum Essen. Mit einem Bierchen spülen wir hinterher.
Um 22:00 Uhr ist Ende und wir gehen in unsere Unterkunft zurück. Noch ein Bierchen auf dem Zimmer, Sinnieren über den heutigen Tag. Und mit der Erkenntnis, dass das Hotel Bulgaria auf unserer Balkan-Tour doch noch um einiges gruseliger war, schlafen wir gegen 23:00 Uhr ein.
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