Karibik-Feeling im Norden Schottlands
Wir haben gut geschlafen, da das Bett richtig bequem war. Es gab keine Mäuse, die unsere Klamotten angefressen haben und keine Spinnen, die einem übers Gesicht gelaufen sind. Das ist doch schon mal erfreulich.
Auf eine Dusche am heutigen Morgen verzichte ich. Ich entschließe mich das Gemeinschaftsbad nicht zu nutzen. Zum Glück haben wir immer "sanfte Reinigungstücher" in wieder verschließbaren Kunststoffpackungen dabei. So reicht es wenigstens für eine notdürftige Körperhygiene. Die Zähne putzen wir mit stillem Mineralwasser aus der PET-Flasche.
Blick in die Gemeinschaftsdusche und ins Treppenhaus
Bevor wir unsere Klamotten einpacken, gehen wir erst einmal frühstücken. Das Guesthouse besteht aus vielen Gängen und mehreren Treppen. Nur schwer finden wir den Weg zum Frühstücksraum ohne Fenster, der vom fahlen Licht einer alten Neonröhre beleuchtet wird. Wir sind die einzigen Gäste.
Das Frühstücksbuffet sieht langweilig aus. Toast, Pfannkuchen, Donuts, abgepackte Croissants, pappige Crispies und Cornflakes, angefangener und bereits verwässerter griechischer Joghurt im 0,5-Liter-Eimer sowie O-Saft, Milch und ein schäumender leicht nach Urin riechender bräunlicher Saft, alles serviert in lieblos gestalteter, wenig ansprechender Umgebung.
Frühstücksbuffet
Wir suchen vergeblich nach Wurst und Käse. Also begnügen wir uns mit frischem selbst zubereiteten Toast und Marmelade. That´s all. Aber wenigstens kein Marmite...
Unzufrieden suche ich noch im daneben stehenden Kühlschrank nach irgend etwas Essbaren, finde aber auch nichts außer Milch und Gurke.
Zwei weitere deutsch sprechende Gäste, ein Vater mit seinem jungen Sohn, betreten den Raum und wir versuchen nach freundlicher Begrüßung eine Konversation zu starten, die aber bei unserer ersten Frage, woher sie denn kommen, bereits misslingt. Wir bekommen eine Antwort in Form einer patzigen Klatsche ("...wieso wollen Sie das wissen?...Hä?... Aus Magdeburg...") und beenden augenrollend die Interaktion.
Axel und ich schauen uns an und können uns ein Schmunzeln nicht mehr verkneifen. Anstatt in die Tischkante zu beißen, können wir uns über die gesamte Situation hier, die stark an "Versteckte Kamera" erinnert, schon fast köstlich amüsieren. Wenn wir nicht genau solche Erlebnisse hätten, wäre ein Urlaub wie der andere. Mit solchen Einlagen bleibt uns alles schön in Erinnerung. Und wir trösten uns, dass es heute dann wohl auch nicht mehr schlimmer kommen kann.
Grinsend lassen wir noch 4 in Plastikfolie verschweißte Schokocroissants mitgehen, packen unsere Klamotten, lassen unseren Müll im Zimmer auf der Fensterbank zurück (nur deshalb, weil es keinen Eimer gab) und kurze Zeit später sitzen wir auf den Moppeds. Ein weiterer schöner Tag zum Fahren beginnt...
Start in Dinkwall um 8:15 Uhr Ortszeit
Die weitere Tour führt uns von Dinkwall aus entlang des Cromarty Firth, der ziemlich ausgetrocknet aussieht. Schlamm, ein paar auf dem Trockenen liegende Boote und 2 Bohrinseln... kein wirklich spannender Anblick. Ob das immer so aussieht oder auch hier der Dürre geschuldet ist, kann ich nicht beurteilen.
Cromarty Firth mit Blick auf Invergordon und 2 Bohrinseln
Die Northwest Highlands
Hier biegen wir links ab und nun geht es wieder über kleinste Sträßchen und single track roads with passing places durch kaum noch besiedelte Gegenden. Wir nähern uns jetzt den Northwest Highlands.
Irgendwo zwischen Lairg und Tongue
Alles geregelt hier...
Über die A836 geht es nun schnurstracks gen Norden. Wir fahren durch einsamste Gegenden, hin und wieder über Cattle grids. Also muss es hier auch Vieh geben. Wir sehen bisher aber keines. Irgendwo begegnen wir einem Mann mit seinem Hund, sehen aber weit und breit kein Fahrzeug und es stellt sich die Frage, wie dieser hier wohl hergekommen ist.
Die Wolken hängen tief. Doch trotz der fehlenden Sonne wirkt die Landschaft malerisch. Diese ungestörte Natur ist einfach wunderschön. Manchmal frage ich mich, ob wir überhaupt noch auf der richtigen Strecke sind.
Die Frage wird beantwortet, als wir mitten im Nirgendwo durch Crask kommen, einem Ort, der eigentlich nur aus dem "Crask Inn" besteht. Der Parkplatz ist gerammelt voll und bestätigt uns, dass wir uns immer noch auf der Hauptverkehrsstraße in Richtung Norden befinden. Das Crask Inn sagt von sich selbst, dass es von einer atemberaubenden Landschaft umgeben ist und vielleicht Schottlands einsamstes Gasthaus ist, welches Besucher aus der ganzen Welt herzlich willkommen heißt.
Crask mit gleichnamigen Inn
Kurze Zeit später steuern wir auf Altnaharra zu und sehen in der Ferne den Loch Naver und noch ein Stück weiter dann einen der vielen Fjorde, die die schottische Nordküste so einzigartig machen.
Erneut halten wir an und lassen die Drohne bei Braetongue steigen. Dieses mal auf etwa 46 Meter. Da aber auch heute ein kräftiger Wind weht, sehen wir vom Steigen auf die Maximalhöhe von 80 m ab.
Blick auf den vor uns liegenden Fjord mit darüber führender Brücke
Blick auf uns aus etwa 30 Metern Höhe
Nun fahren wir auf der A838 weiter, eine andere Straße gibt es hier eigentlich auch nicht und erreichen später den Loch Eriboll, den wir quasi einmal umrunden. Uns begleiten fantastische Ausblicke auf das Wasser, die wir natürlich fotografisch festhalten, und wir genießen jeden Kilometer.
Haus- und Hoffotograf Bine
Wir überqueren unaussprechliche Abläufe aus dem Fjord wie den Allt An Uinnseinn oder den Allt an t-Sasunnaich, fahren vorbei an nicht weiter beschriebenen SODA-Steinkreisen (die stehen nur SO DA)...
SODA-Steinkreise
...und landen schließlich am Ceannabeinne Beach in der Nähe von Durness. Durch Zufall sehen wir ein Wohnmobil, welches rechter Hand oben auf einer Klippe thront. Klar, dass wir ebenfalls diesen Punkt für eine Rundumsicht nutzen wollen.
Wir stellen die Moppeds ab und gehen einige Schritte in Richtung Abgrund. Was wir dann sehen, verschlägt uns vor Schönheit fast die Sprache. Vor uns liegt ein traumhaft breiter Sandstrand. Obwohl die Sonne nicht scheint, ist das Wasser richtig blau und die Felsen leicht rötlich. Wie muss das erst bei Sonnenschein aussehen...
Karibikfeeling
Es badet aber keiner und ich vermute, dass die Wassertemperaturen hier trotz des Golfstromes nicht wirklich kuschelig sind.
Oben auf der Klippe hat jemand ein Geschäftsmodell entdeckt und hier kurzerhand einfach mal eine "Golden Eagle Zip Line" aufgebaut, mit der man an einer Seilwinde hängend über die gesamte Bucht schweben kann. Ist bestimmt aufregend, aber nichts für uns.
Weiter geht es entlang des Wassers und wir können noch einmal einen Blick auf den wunderschönen Strand werfen..
Letzter Blick auf den Ceannabeinne Beach
Unser nördlichster Punkt in Schottland
Nach ein paar Kilometern erreichen wir dann die Smoo Cave und den Küstenstreifen Sango Sands in Durness, unserem nördlichsten Etappenziel in Schottland.
Die Smoo Cave ist eine Kalksteinhöhle und mit über 60 Metern Länge und 40 Metern Breite die Höhle mit dem größten Zugang auf den Britischen Inseln. Sie ist über einen steilen Abstieg erreichbar. Allerdings kann sie auch mit einem Boot besucht werden. Da Höhlen nicht so sehr unser Ding sind, muss ein Foto reichen und wir fahren weiter zum Sango Sands, der ebenfalls wie der Ceannabeinne Beach einen wunderschönen Sandstrand mit azurblauem Wasser hat.
Die Smoo Cave ist quasi genau unter uns
Sango Sands
Eigentlich soll für heute Schluss sein. Hier in Durness befindet sich das einzige Youth Hostel weit und breit. Da es aber erst 14:30 Uhr ist, beschließen wir weiterzufahren, auch mit Blick auf den genau getakteten Tourverlauf, damit wir unsere Fähre am kommenden Mittwoch gen Heimat nicht verpassen. Lieber ein paar Kilometer mehr machen, als hinter der Zeit hinterher zu hecheln.
Wir fahren weiter auf der A838 und nun geht es mitten durch die North & West Highlands vorbei am Kyle of Durness, einer wunderschönen Bucht mit seichtem Wasser. Es scheint gerade Ebbe zu sein, denn das abfließende Wasser gibt den darunter liegenden goldrötlichen Sand frei.
Kyle of Durness
Zahlreiche kleine Flüsse begleiten uns auf dem weiteren Weg durch die Highlands. Einsam fahren wir durch die saftiggrüne Landschaft. Außer ein paar auf der Straße laufende Schafe kommt uns kaum jemand entgegen.
saftiggrüne Landschaft
Auffällig ist, dass hier die Straßen alle in einem guten Zustand sind. Viele sind neu asphaltiert und bieten tollen Fahrkomfort. Wollen wir hoffen, dass das auch nach dem Brexit noch so bleibt.
Straßenbau finanziert durch die EU
Ebenso auffällig, nebenbei bemerkt, ist, dass viele Schotten ihre Landesflagge im Garten gehisst haben, gepaart mit der Flagge der Europäischen Union. Sieht fast so aus, als wenn die Schotten über den Brexit nicht gerade begeistert sind. Aber das ist nur meine eigene Einschätzung.
Gegen 16:00 Uhr machen wir eine kleine Pause und ziehen uns die heute morgen eingesackten Schokocroissants rein, welche aber im Mund auf ein Minimum zusammenfallen und sofort die Spucke aufsaugen. Nach Überprüfung der Konsistenz durch die Zunge bleiben diese jetzt auch noch am Gaumen kleben. Nun hilft nur noch Wassertrinken und Geduld beim Schlucken.
Währenddessen erklimmt Axel einen kleinen Felsvorsprung, um von dort ein Foto zu machen. Das Motiv ist allerdings noch unklar. Aber wenn 10 andere Touristen ebenfalls dort stehen und Fotos machen, muss es ja etwas Aufregendes sein.
Axel auf Motivjagd
Das Aufregende entpuppt sich als großer Seerosenteich, welchen Axel dann schlussendlich auch im Knipskasten festhält.
Ruinen, kleine Seen, schöne Aussichten und Berge...irgendwann haben wir keine Orientierung mehr, wo wir eigentlich sind. Hinter jeder Kurve oder Hügel sieht die Landschaft anders aus. Mal satt grün, mal grau, mal schroff... immer im Wechsel.
eine Irgendwas-Ruine im Irgendwo
Gegen 18:00 Uhr erreichen wir Ullapool, in dem auch das nächste Youth Hostel zu finden ist. Ullapool liegt direkt an der Küste, ist die größte Siedlung in den sehr dünn besiedelten Nordwest Highlands und auch Ausgangspunkt zahlreicher Fährverbindungen. In diesem Ort merkt man aber nichts von dünner Besiedelung. Im Gegenteil....jede Menge Autos und Leute aus aller Herren Länder wuseln hier rum. Und wie nicht anders zu erwarten, gibt es im Youth Hostel natürlich keinen Platz mehr für uns.
Der Herbergsvater gibt Axel den Tipp und die Adresse, es im "Bunkhouse" zu versuchen. Was wir finden, ist das Hotel "Ceilidh Place Ullapool" und bekommen ein Zimmer für 150,- £ angeboten. *hüstel*
Nach einer Beschwerde von Axel über das Preis-/Leistungsverhältnis und bevor uns der Wirt als Gäste verliert, bietet er uns ein Zimmer im gegenüber liegenden Clubhouse an. Für 65,- £ ohne Frühstück sind wir dabei. Bad und WC sind auf dem Flur. Nach kurzer Überlegung schlagen wir ein.
Allerdings ist das Clubhouse oder Bunkhouse wohl so geheim, dass wir es nicht finden. Es gibt kein Schild, keinen Hinweis. Nach mehrmaligem Rauf- und Runterfahren der Straße und Fragen eines Anwohners stehen wir aber dann doch irgendwann davor.
Gespanntes Öffnen der Zimmertür.....Trommelwirbel........und boah.....schöööön. Wir betreten ein großes, geräumiges 4-Bett-Zimmer mit massivem Doppel- und Etagenbett. Das Doppelbett ist riesengroß, geschätzt 2,5 m breit. Sofort verteilen wir unsere Klamotten und haben immer noch massig Platz. Vor dem Fenster stehen ein massiver Holztisch und 2 schwere Hocker. Alles rustikal, aber wirklich gemütlich. Leider habe ich Hornochse vom Zimmer kein Foto gemacht. Bunkhouse heißt übrigens im Deutschen "Schlafbaracke". Von einer Baracke ist hier allerdings nicht viel zu sehen. Wir sind begeistert...
Auch die sanitären Anlagen sind super und pikobello. Nach einer Dusche gehen wir entspannt in die 100 m entfernte und direkt am Wasser liegende Shore Street. Hier gibt es die meisten Pubs und Lokale und wir entscheiden uns für das Arch Inn.
Fish´n Chips
Mit dem Abpfiff irgendeines WM-Spiels betreten wir das gut gefüllte Restaurant und ordern ein typisches regionales Bierchen und natürlich Fish´n Chips, was ich bis dato noch nie gegessen hatte.
Lecker Fish and Chips
Serviert werden uns Pommes, Erbsen und 2 verschiedene Sorten panierten Fisch mit Remoulade. Dazu wird auch Essig gereicht. Leider weiß ich nicht, worüber ich den gießen soll. Wir entscheiden uns lieber zu den Pommes für die gewohnte Mayo, die ebenfalls zusammen mit Sour Creme und anderen Dips in kleinen Portionen angeboten wird.
Lecker ist gar kein Ausdruck. Genüsslich verspeisen wir auch die letzte Erbse und setzen uns mit unserem Bierchen auf die vor dem Inn stehenden Holzbänke. Zufrieden sinnieren wir aufs Wasser. Es ist etwa 20:00 Uhr, als wir endlich erfahren, was denn nun "Midges" sind.
Midges sind nichts anderes als diese 1 mm großen Miniplagegeister (bei uns Gnitzen genannt), die einen in Scharen zu Millionen anfallen und nur eines wollen: dein Blut!
Wir ziehen uns unsere Caps ins Gesicht und die Kapuze vom Kapuzenshirt nach drüber. Nützt aber alles nichts und wir flüchten zurück ins Bunkhouse.
Bei einem letzten Bierchen lassen wir den Tag Revue passieren und sinken gegen 22:00 Uhr wohlig entspannt ins Reich der Träume.
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