Motorradtour Südnorwegen

 

Irgendwann Anfang des Jahres stellte sich uns die jährlich wiederkehrende Frage: "Wohin wollen wir eigentlich dieses Jahr?" Und wieder wurden Zeitungen gewälzt, Berichte gelesen und tief im Inneren nach verborgenen Wünschen gesucht. Norwegen war einer davon, doch irgendwie fanden wir in den letzten 10 Jahren immer wieder erfolgreich Gründe, warum wir nicht fahren sollten.

"Das ist da zu teuer", "das ist doch sooo weit weg...", "da ist immer schlechtes Wetter", waren gern genommene Ausreden. Allerdings kommt dann doch irgendwann im Laufe des voranschreitenden Alters und das damit verbundene Mitsichziehen aller Arschgebrechen auch immer stärker der Wunsch durch, Orte mit dem Motorrad zu befahren, an denen man noch nicht gewesen ist. Bei der Saisoneröffnung unseres Freundlichen lernten wir dann durch Zufall ein Pärchen kennen, die im vergangenen Jahr Norwegen mit ihrer GS bereist hatten. Sie erzählten von der Gegend und den landschaftlich einmaligen Eindrücken, hätten aber aufgrund des erlebten 2-wöchigen schlechten Wetters in den nächsten Jahren keinen Bock auf einen weiteren Abstecher dorthin.

Bei uns begann die Saat jedoch zu keimen und nach gelesenen Reiseberichten anderer Motorradfahrer und dem Durchackern des ADAC-Reisesets stand unser Reiseziel für 2009 fest: Norwegen - dieses Jahr oder nie...oder wenn nicht jetzt, wann dann. Als Termin wählten wir die regenärmste Zeit im Juli. Die Planungen begannen mit dem Festlegen der Routen (Axels Job) und dem Checken der Reiseutensilien. Ein Besuch bei einem großen Motorraddiscounter machte uns um einiges ärmer, da wir ja nun schließlich in die Wallachei aufbrechen würden und zumindest einen Reservekanister für Benzin bräuchten. Und natürlich gab es gerade jetzt ein neues Zelt im Angebot, welches superschnell und einfach aufzubauen sein sollte.  Zwar hatten wir eine Übernachtung im Zelt nur als Notlösung eingeplant (falls Hütten und Jugendherbergen belegt wären), trotzdem mussten wir dieses natürlich haben. Dann kam noch Ning und Nang dazu, ein neuer regendichter Tankrucksack, ein neuer Packsack, neue Schlafsäcke, eine zusätzliche Regenjacke, neue warme Strümpfe, noch schnell eine Universal-Freizeithose, ein Satz neuer Reifen, eine Inspektion und so weiter und so fort...

Auch hatte Axel noch einmal die komplette Route überarbeitet und die Tagesetappen von über 400 Km auf 250 bis 300 Km reduziert, so dass sich die Gesamtstrecke von ca. 4.500 Km auf 3.500 Km verkürzte. Jetzt stand unserer Expedition nichts mehr im Wege.

Erfreulicherweise hatte Micha von unserer geplanten Reise erfahren und sich kurzerhand einfach eingeklingt. Und so starteten wir am Sonntagmorgen um 6.00 Uhr mit 3 vollbepackten Maschinen gen Norden. Wir wollten Dänemark durchqueren und mit der Superspeed-Fähre von Hirtshals nach Kristiansand übersetzen.

Start in Norderstedt
Start in Norderstedt

Nach etwa 2 gefahrenen Kilometern leuchtete dann aber Axels Bremslicht auf, ohne dass er überhaupt Hand oder Fuß dort anlegte. "Bitte, nicht schon wieder....", war mein erster Gedanke. War Axel nicht genau deshalb ein paar Tage vorher in der Werkstatt gewesen, um diesen Fehler beheben zu lassen? Was hat der Mechaniker denn bitte schön eingestellt? Nach etwa 5 Kilometern und immer noch Dauerbremslicht hielten wir vor der Auffahrt zur Autobahn an. Wir fummelten und drückten und suchten, fanden jedoch den Fehler sowie eine mögliche Stellschraube (Auskunft der Werkstatt) nicht. Das Problem war, dass das Dauerbremslicht dem System beim Hochfahren des Computers vorspielte, die Bremse sei gezogen. Das System führt daraufhin keinen Check durch und Axel hätte dann die ganze Zeit ohne ABS und Bremskraftverstärker fahren müssen. Tolle Aussichten bereits zu Beginn der Reise.

Nachdem wir alle nicht mehr weiter wussten, half nur noch ein letzter, verzweifelter und brachialer Ruck am Bremshebel nach oben, und siehe da, für den Moment war das Problem gelöst, das Bremslicht erlosch (warum auch immer) und wir konnten endlich weiter. Bis Flensburg kamen wir gut durch und lagen prima in der Zeit. Auch durch die angehobene Geschwindigkeit von früher 110 Km/h auf jetzt 130 Km/h in Dänemark kamen wir zügig voran. Wir hatten so früh am Morgen die Autobahn für uns, und was viel wichtiger war: es schien sogar die Sonne. Nach einem Tankstopp und weiteren 100 gefahrenen Kilometern machten wir um 10.00 Uhr Kaffeepause, natürlich mit selbst gekochtem leckeren Pulverkaffee und ein paar Müsliriegeln. Wir hatten alles in meiner Küche (Topcase) dabei....und sogar auf unser gutes altes deutsches Wasser mussten wir nicht verzichten. Denn auch hier hatte Axel einen neuen Wassersack besorgt und für den schnellen Zugriff direkt hinten auf die Gepäckbrücke montiert.

Kaffeepause
Kaffeepause

Dann ging es über die doch sehr eintönige Autobahn weiter gen Norden. Bedingt durch mangelndem Schlaf und frühem Aufstehen fehlten uns doch ein paar Stunden Erholung und so langsam fielen uns die Augen zu. Zum Glück war es bis Hirtshals nicht mehr weit. Schade nur, dass sich die Sonne verzog und doch nun mehr oder weniger dicke graue Wolken am Himmel hangen. Nach dem Einchecken wurden wir mit den Bikes in die vorderste Reihe beordert. Es war 12.30 Uhr...wir hatten also noch 1 3/4 Stunden Zeit bis zum Ablegen und um den einen oder anderen Schauer abzubekommen.

Dann, ab 13.30 Uhr ging alles ziemlich schnell. Unsere Fähre legte an, die transportierten Fahrzeugen quollen aus den verschiedenen Decks...es nahm kein Ende, immer und immer mehr Fahrzeuge wuselten durch den Anlegeplatz. Unglaublich, was so alles auf die Fähre passte. Und als wir dachten, es ist vorbei und erste Fahrzeuge aus unserer Reihe sich bereits auf Handzeichen des Personals in Bewegung setzten, kamen immer noch fette LKWs und Wohnmobile aus dem Rumpf des Schiffes. Echt beeindruckend....

Stellplatz für Motorräder
Stellplatz für Motorräder auf der Fähre

Wir bekamen unseren Stellplatz zugewiesen und nun sollte alles schnell gehen. Aber von wegen...
Ich hatte keine Ahnung wie so ein scheiß Spanngurt funktionierte. Zwar versuchte ich, mir den einen oder anderen Handgriff von anderen Motorradfahrern abzugucken, doch irgendetwas schien einfach nicht zu funktionieren. Ich konnte ratschen und ratschen, doch niemals spannte sich der Gurt ansatzweise an. Menno...
Auch bei Axel schien dies nicht zu funktionieren, wir schauten uns ratlos an, gerieten dann allerdings schon leicht in Hektik, als wir merkten, dass sich das Schiff bereits in Bewegung setzte. Erst durch Michas versierte Fähren-Festzurrgurt-Erfahrung konnten wir eine Viertelstunde später endlich auch unsere nun gesicherten Moppeds verlassen und uns einen Platz auf den oberen Decks suchen.

Langsam kamen wir zur Ruhe, und als wir bereits auf hoher See waren, fielen uns allen die Augen zu. Wir machten es uns so bequem wie möglich, hatten aber nicht wirklich viel Platz. Micha meinte zwar, dass ihn meine Schlaf-Haltung an Ice-Age-Sids Ruheposition auf dem Stein erinnerte *lol*, das störte mich aber nicht wirklich, da ich hundemüde war und nur noch schlafen wollte.

Axel und Micha
Axel und Micha

Die Stunde Erholung tat gut. Als ich aufwachte, sah ich, dass auch Micha und Axel eingeschlafen waren oder zumindest dösten. Der Blick zur Uhr verriet mir, dass wir immer noch 1 1/2 Stunde Fahrt bis nach Kristiansand hatten. Wir nutzen die Zeit für eine lappige Portion teurer Pommes, einen genießbaren Kaffee, einen kleinen Einkauf Grundnahrungsmittel (Bier, Erdnüsse und Schokolade) und dem Umtausch von Euros in Norwegische Kronen. An die Preise musste man sich tatsächlich erst einmal gewöhnen. Umgerechnet 2,- € für eine Dose Bier 0,3 L war schon heftig. Aber auf unser Etappen-Feierabendbierchen wollten wir nicht verzichten.

1 Tisch, 2 Zelte, 3 Stühle

Endlich kam Land in Sicht und damit auch die vollkommen andere Landschaft. Die kleinen Inseln vor dem Festland waren karg, schroff und besaßen so gut wie keine Vegetation. Es müssen bestimmt hundert gewesen sein, die den Weg des Schiffes während der Einfahrt zum Hafen säumten. Ein tolles Naturschauspiel, nicht nur für uns. Denn nun hatten mittlerweile die meisten der Passagiere sich einen Platz auf dem Außenschiff gesucht, um hier, genau wie wir, Bilder zu schießen und diese einzigartige Landschaft auf sich einwirken zu lassen. Norwegen, wir sind da...und ein leichter Schauer der Freunde durchfuhr mich. Auch Axels und Michas Augen leuchteten...

Land in Sicht
Land in Sicht

Eine Woche vor der Abreise hatten wir versucht, in der JuHe in Kristiansand ein Zimmer zu buchen. Nach nicht zustellbaren E-Mails und Faxen erkannten wir, dass es die JuHe scheinbar nicht mehr gab. Wie gut, dass wir ein Zelt dabei hatten...und so konnten wir unser komplettes Camping-Equipment auch gleich nach der Ankunft auf dem Campingplatz in Kristiansand testen. Der Campingplatz war einfach nur ein großes Areal Rasenfläche mit schroffen Steinen und Waldabschnitten. Es gab keine Parzellierung und vor allem keine Gartenzwerge wie in Deutschland. Klasse, also suchten wir uns irgendwo einen für uns geeigneten Platz. Nach kurzem Suchen fanden wir auch einen...schön zwischen Bäumen etwas höher gelegen mit dicht angrenzendem Waschhaus. Und das Beste war: Die Sonne schien wieder und begleitete uns beim Aufbau mit wärmenden Strahlen. Schön war´s, zumal uns nette Nachbarn auch noch einen Tisch mit 3 Stühlen zur Verfügung stellten.

Camping Christiansand
Campingplatz Christiansand

Nachdem wir uns häuslich eingerichtet hatten, stärkten wir uns erst einmal mit einer Tütenmahlzeit, die wir vorsichtshalber von zu Hause mitgenommen hatten. Irgendwie konnte ich es immer noch nicht richtig glauben, dass wir nun in Norwegen waren. Das frühere Unbehagen schlug in Neugier und freudiges Erwarten auf die schönen ausgearbeiteten Routen und die damit verbundenen Highlights wie den Preikestolen, die Trollstigen und die Atlantikstraße um.

Wir saßen noch lange vor unserem Zelt, da hier die Sonne noch bis fast 23.00 Uhr schien. War zwar ungewohnt für uns, aber nicht unangenehm. Kaum in der Horizontalen schliefen wir dann aber sofort ein.

Heute gefahrene Kilometer Norderstedt - Christiansand: 502 KM (ohne Fähre)

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