Fjorde und Fjells
Wir hatten prima geschlafen und wachten durch die wärmenden Sonnenstrahlen der norwegischen Sommersonne auf. Nach dem ausgiebigen Frühstück mit Scheibletten, Bifi und Brot, packten wir ein und machten uns um 10.00 Uhr (wieder zu spät) auf zu unserer nächsten Etappe. Es versprach ein schöner Tag zu werden. Und optimistisch und zuversichtlich verstauten wir unsere Regenklamotten ganz unten im Gepäck.
Abfahrt Preikestolen
Im nächsten Ort entdeckten wir einen Supermarkt und wollten nun erst einmal unsere fast leere Verpflegungstasche auffüllen. War schon irgendwie schwierig, denn so etwas wie Dosensuppen oder ähnliches schienen die Norweger nicht zu kennen. Das Einzige, was nach Konserve aussah, waren Spaghetti in Tomatensoße. Nun gut...da wir laaaange keine Nudeln hatten, sackten wir 2 Dosen ein. Außerdem fanden wir noch einheimisches Bier zu günstigen Konditionen, lecker Brot, eine frische Gurke, Salami und Käse und natürlich Schokolade. Alles zusammen für...*schluck*....300 NOKs, fast 36,- €. Zum Vergleich: Beim Aldi hätten wir dafür max. 12,- Euronen abgedrückt. Aber es war uns ja vorher schon klar gewesen, dass Norwegen eben teuer ist...also bitte nicht meckern.
Bei über 20° ging es dann bei herrlichstem Wetter weiter über kleine Straßen. Zwar durften wir nur 80 Km/h fahren, für die Kurvenfolgen hier war das aber völlig ausreichend. Und so schwangen wir und schwangen und schwangen...bis uns ein Auto wild mit der Lichthupe anblinkte. Axel reduzierte sofort die Geschwindigkeit. Wie schnell durfte man auf diesem Abschnitt eigentlich fahren? Keine Ahnung, also sicherheitshalber runter auf 40 Km/h...hmm....nix zu sehen....weder Blitzer, noch Polizei, noch irgendwas. Aber die Straße war neu geteert....vielleicht hätten wir auch nur 30 Km/h fahren dürfen? Wir waren unsicher. Und dann hinter der nächsten Kurve entdeckten wir das weiße Auto mit dem freundlich winkenden Polizisten, der uns durch kraftvolle Bewegungen mit seiner Kelle zum Rechtranfahren ermutigte. Tausend Gedanken schossen uns durch den Kopf...waren wir zu schnell gewesen? Hatten wir was übersehen? Innerhalb von Sekundenbruchteilen kamen mir die Warnhinweise des ADAC bei Geschwindigkeitsüberschreitungen ins Bewusstsein. Wie war das nochmal? Bei mehr als 10 Km/h kann es sogar bis zu 3 Tage Knast geben? *schluck*
Auch Axel fing an hektisch zu werden und brüllte mit geschwollenen Adern an Schläfe und Hals zu mir rüber: "Was will der? Hab ich was übersehen?". Leichte Panik spiegelte sich in seinen Augen wider. Und dann kam der Polizist wie in Zeitlupe auf Axel zu...keine Miene verziehend, mit einem leichten Zucken am Unterlid und sagte mit dumpfer Stimme: "øgø løgø høge dø". Da Axel scheinbar in diesem Moment zuviel Adrenalin durch die Adern schoss, kam von ihm nur ein wie aus der Pistole geschossenes, lautstarkes und unfreundliches "WASSISS?". Ich erstarrte....und hörte schon in Gedanken die Handschellen klicken...
"Ah...you´re German", strahlte der Polizist plötzlich. "Your driver-licence, please", klang freundlich aus seinem Mund. Axel war immer noch auf Alarm und hatte ihn so schnell nicht verstanden. Ich sagte noch einmal zu Axel, dass der Polizist nur den Führerschein sehen wollte. Langsam löste sich bei uns die Verkrampfung und wir kramten unsere Ausweise und Führerscheine hervor. Der Polizist hingegen lächelte nur, fragte, wo wir hinwollten und gab uns noch nette Tipps, da es letzte Nacht ziemlich geregnet hatte und wir nun mit dicken Felsen (rocks) in Kurven rechnen müssten. Und er wollte auf keinen Fall morgen in der Zeitung lesen, dass 3 Motorradfahrer verunglückt sind. Dann wünschte er uns mit einem letzten verstohlenen Blick auf den eingebauten db-Killer noch eine gute Weiterfahrt und viel Spaß auf unserer Reise. Was soll man hierzu noch sagen...da hatte man innerhalb der letzten 30 Jahre nur 2x eine Fahrzeugkontrolle....kaum ist man im Ausland, dauert´s nur einen Tag.
Traumhafte Fjorde
Danach lagen etliche Kilometer der schönsten Strecken, die man sich vorstellen konnte, vor uns. Die Sonne schien warm und zauberte die Landschaft in malerische Farben. Es ging links rum, es ging rechts rum...immer am Wasser vorbei....einfach nur traumhaft.
Anfahrt zur Fähre Hjelmeland
Gegen 13.00 Uhr machten wir unsere Mittagspause auf einem hoch gelegenen Aussichtspunkt direkt aufs Wasser. Micha nutzte dieses einmalig schöne Panorama gleich für ein Foto mit seiner MZ im Vordergrund. Wer weiß, mit diesem Foto hätte sie bestimmt gute Aussichten "Miss Juli" im MZ-Kalender 2010 zu werden. :-)))
Nedstrandfjord
Schneeballschlacht auf dem Fjell
Unsere nächste Fähre nahmen wir bei Suldal über den Hylsfjord. Ab hier erwartete uns dann ca. 60 Kilometer Hochebene durch das Skigebiet von Sauda. Karge und immer noch schneereiche Landschaft, wo außer Moos nichts mehr wuchs, war das eindeutige Merkmal dieser bizarren Landschaft; die Straßen äußerst schmal, freilaufende Schafe und Ziegen und kaum ein anderes Fahrzeug. Es war schon beeindruckend, wie sich die Landschaft hier von einem Moment zum anderen schlagartig änderte. In der Mitte der Strecke machten wir Rast und lieferten uns erst einmal eine ordentlich Schneeballschlacht. Erst jetzt bemerkte ich, dass die Temperaturen doch um einiges gefallen waren und sich gerade noch so im zweistelligen Bereich befanden.
Schneeballschlacht auf der Hochebene von Sauda
Dann erreichten wir Røldal. Unser Ziel hier war eine der legendären norwegischen Stabkirchen. Kurzer Blick von außen, ein Foto geschossen und schon ging es weiter, denn wir hatten schon ordentlich Zeit verloren. Ab Røldal fuhren wir dann wieder auf eine der gefürchteten Hauptstraßen (E13) und somit auch gleich auf einen kilometerlangen Tunnel zu. Ich holte tief Luft... Als Axel etwa 100 Meter vor der Tunneleinfahrt dann aber rechts in eine Seitenstraße abbog, entspannte ich mich zuerst wieder leicht. Als ich dann jedoch den weiteren Straßenbelag sah, weigerte ich mich konsequent mit einer Vollbremsung, der ausgearbeiteten Route zu folgen und mein Puls stieg erneut auf 130. Der Weg sah aus wie äußerst grober Schotter, mit Spitzkehren und ohne Fahrbahnbegrenzung. "Nix da...", greinte ich. "Da fahr ich nicht mit." Ich kam mir in diesem Moment zwar wie ein störrisches Kind vor, und es war mir auch irgendwie peinlich, da ich auch Michas leichtes Augenverdrehen bemerkte, aber das traute ich mir einfach heute nicht mehr zu.
Abseits der Europastraßen macht Motorradfahren deutlich mehr Spaß
Nach einigen Diskussionen und Erkennen, dass der Schotterweg gar kein Schotterweg war, konnten wir endlich unsere Tour fortsetzen. Und hier kann ich nur sagen...Gott sei Dank, denn hier befuhren wir eine der für uns schönsten und beeindruckendsten Straßen in Norwegen überhaupt. Es wäre ein Jammer gewesen, wenn wir diese verpasst hätten. Etwas verwundert waren wir allerdings, als uns ein einsamer Sattelzug mit Anhänger entgegenkam. Wo wollte der denn hin? Auf der Straße, die wir gerade gekommen waren, hatte er in manchen Serpentinen und kleinen Brücken auf jeden Fall nicht ausreichend Platz, und Wenden war auch nicht möglich. Ob der versehentlich hierher gefahren ist? Keine Ahnung, und wir werden es wohl auch nie erfahren...
Umgehungsstraße E13
Umgehung
Nach der Tunnelumgehung befanden wir uns wieder auf der E13. Jetzt hatte der Fahrspaß ein Ende. Als Highlight hielten wir dann noch einmal am Latefossen, einem Wasserfall, der den westlichen Abfluss aus der Hardangervidda bildet. Auf jeden Fall war es höllisch laut, aber dennoch die reinste Augenweide.
Latefossen Wasserfall
Nach der Weiterfahrt wechselten sich dann Wohnmobil an Wohnmobil und LKW an LKW in der endlos dahinziehenden Schlange ab. Schon von Weitem erkannten wir die nächste Fähre, die uns bei Brimnes über den Eidfjord setzen sollte. "Schei...", dachte ich, "das schaffen wir nie." Der vor uns kriechende LKW ließ uns keine Möglichkeit ihn zu überholen und dann kam auch noch eine Baustelle. Total genervt erreichten wir die Fähre. Während Axel schnell für uns alle am Wärterhäuschen bezahlte, fuhr ich schon bis fast auf die Fähre, um der Crew zu signalisieren, dass hier noch Mitfahrer kommen. Sie verstanden auch und öffneten noch einmal die bereits fast schon geschlossene Schranke. Puh...nochmal Glück gehabt, denn die nächste Fähre wäre erst mehr als eine halbe Stunde später gefahren und es war eh schon ziemlich spät.
Kochrezepte gegen die Panik im Tunnel
Wir verließen die Fähre, bogen links ab Richtung Voss und steuerten schnurstracks auf den gähnenden Schlund eines mörderlangen Tunnels zu. Anfangs war ich noch entspannt, da Axel ja versprochen hatte, alle in den Karten eingezeichneten Tunnel zu umfahren. Als uns dann aber das tiefe Schwarz der Tunneleinfahrt verschluckt hatte und ich gerade noch das Schild "Tunnelen 7296m" erkennen konnte, meldete sich langsam aber stetig mein Solar Plexus mit Informationen an Blutdruck, Atmung, Magen und Darm. Das Blut wich mir aus den Beinen, meine Atmung wurde schneller und es hämmerte in meinem Kopf "7 Km, 7 Km, 7 Km....". Es bildete sich gerade eine Panikattacke vom Feinsten und ich befand mich kurz vor einem drohenden Schwindelanfall, ausgelöst durch falsche Atmung.
Jetzt nicht durchdrehen...wie war das Wort mit 6 Us?.....ruuuuuuhig!!!! Ich versuche mich abzulenken...will an etwas anderes denken, es gelingt mir aber nicht. Wie ein Kaninchen vor der Schlange starre ich aufs Micha Rücklicht, sehe eigentlich rechts und links nichts mehr. Dann nehme ich aber doch das erste Schild mit dem Hinweis wahr: "6 - 1" (6 Kilometer Resttunnel, 1 Kilometer bereits geschafft). Mein Helm beschlägt von innen.... Wie macht man noch Frikadellen? Ich kaufe Hack, dann weiche ich Brötchen ein....und dann? UND DANN? Mir fällt nicht ein, was ich noch dazu brauchte. Mein Darm grummelt..Das nächste Schild kommt..."5 - 2". Los, du Memme, streng Dich an. Hack und Brötchen hast Du...was fehlt noch? Ein Ei, ja genau... "4 - 3"....
Bei "2 - 5" beginne ich mich langsam zu entspannen. Zwar habe ich in meinem Frikadellenrezept auch Tomaten als Zutat aufgeführt (warum, weiß ich nicht mehr), aber es hilft mir, die Panik zu besiegen. Als uns der Tunnel dann ins gleißende Licht der Abendsonne ausspuckt, ist mein Rezept fertig und ich bin 3 Jahre gealtert.
Übernachtungs im Dorm - preiswert und kuschelig
Gegen 20.00 Uhr erreichten wir die JuHe in Voss und damit unser nächstes Etappenziel. Es sah eigentlich nicht wie eine Jugendherberge aus, hatte eher etwas von einem "Bed-and-Breakfast-Hotel". Und beim anschließenden Verhandlungsgespräch auf englisch wurde uns dann auch ein Zimmer für umgerechnet 80,- € pro Person angeboten. *Schluck*...das war dann doch etwas zuviel für unsere Vorstellung. Wir überlegten, ob wir dann lieber zelten wollten, hatten aber angesichts der vorgerückten Stunde eigentlich keine richtige Lust mehr dazu. Erneut fragte Axel nach, ob es denn noch andere Möglichkeiten geben würde. Als das Mädel am Empfang dann mitbekam, dass wir alle 3 Mitglieder im Jugendherbergswerk waren, bot sie uns eine Übernachtung im Schlafsaal (Dorm) an. Mit umgerechnet 18,- € für Übernachtung und Frühstück pro Person kam das unserer Vorstellung doch schon ein gewaltiges Stück näher. Wir schlugen ein, richteten uns häuslich in einer Ecke des Raumes ein und ließen den Abend bei Spaghetti aus der Dose gemütlich auf der Terrasse ausklingen.
Matratzenlager
Abendessen auf der Terrasse
Heute gefahrene Kilometer vom Preikestolen nach Voss: 333 KM
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