Lappland in Sicht
Das Smartphone klingelte zwar um 6:00 Uhr, aber irgendwie hatte keiner von uns den Weckton wahrgenommen. Axel war der erste, der gegen 7:00 Uhr aus dem Koma erwachte und mich weckte. Draußen war es grau und es schüttete aus Eimern. Das Smartphone sagte 10 °C. Wir brauchten erst einmal einen Kaffee...
trübe Aussichten beim Frühstück
Beim Aufrödeln unserer Taschen am Mopped trafen wir dann die anderen Biker, die die Nacht zusammen hier mit uns in der Herberge verbracht hatten. Natürlich kam man ins Gespräch und sofort war klar, dass die beiden auch als Ziel das Nordkap hatten. Allerdings waren sie bereits dort gewesen und befanden sich nun auf dem Rückweg.
Als einer der beiden erfuhr, dass wir Hamburger sind, bekamen wir sofort den Auftrag, einen guten Freund des schwedischen Bikers hier in Hamburg zu besuchen und ihm herzliche Grüße auszurichten. Im Gegenzug wollte uns der Schwede dafür nächstes Jahr zu sich nach Hause einladen, wenn sein Kumpel aus Hamburg ihm bestätigen würde, dass wir ihn besucht haben. Also, bislang haben wir es noch nicht geschafft, dort einmal vorbeizuschauen. Hallo, Jörg Schipke, wenn du dieses liest, dann fühl dich gegrüßt und melde dich doch mal. :-)
Start in Orsa
Wir starteten um 8:45 Uhr und erfreulicherweise hörte zumindest schon mal der Regen auf. Wir fuhren wieder auf der E45 und sahen bereits nach etwa 5 Minuten etwas Großes auf dem Seitenstreifen. Ich guckte zweimal....da lag doch tatsächlich ein umgekippter LKW. Keine Ahnung, wie das passiert ist. Am Steuer eingeschlafen und von der Straße abgekommen? Würde mich nicht wundern. Warum soll das LKW-Fahrern mit der Müdigkeit auf diesen langen, eintönigen Strecken anders gehen als uns? Das Flatterband signalisierte uns jedenfalls, dass die Unfallstelle bereits gesichert und nicht neu war.
verunfallter LKW
Wir fuhren und fuhren und fuhren. Kaum jemand kam uns entgegen. Hin und wieder ein vollbepacktes Motorrad oder noch seltener ein Auto mit Caravan. Die Hinweisschilder auf mögliche Gefahren wie Elche oder Schneemobile nahmen zu. Ich fragte mich allen Ernstes, warum die vor Schneemobilen warnten. Oder eher vor den Fahrern? Hatten die im Winter Vorfahrt? Oder sind die generell im Winter besoffen? Bei den Preisen für Alkohol hier in Skandinavien glaube ich es kaum. Warum also dann? Ich hatte kurz Action-Szenen aus James Bond-Filmen vor Augen, wo Schnee-Jetskis durch Wälder, über Hügel und Straßen knallten, verwarf diese aber gleich wieder. Naja, die Frage wird wohl unbeantwortet bleiben. ;-)
seltene Begegnung
Achtung Schneemobile
Gegen 13:00 Uhr erreichten wir die Stadt Östersund am See Storsjön, dem fünfgrößten in Schweden. Während Axel im Supermarkt einkaufte, fand ich direkt vor dem Eingang zum Center eine Sitzgruppe mit Tisch, an der ich für uns schon einmal den Picknick-Tisch deckte. Dass die Leute dort uns erst einmal anstarrten und überlegten, was wir hier machen, störte jedenfalls mich nicht allzu sehr. Axel war da etwas verhaltener. Aber wir hatten hier alles, was wir brauchten. Wir bekamen frisches Wasser für unseren Kaffee, hatten einen Papierkorb nebenan und saßen auch etwas windgeschützt...bei nur 15 °C und frischer Brise von Vorteil.
Pause vor dem Einkaufszentrum
Nach unserer Weiterfahrt wurde sogar das Wetter besser. Die Sonne kam hervor und mit ihr zusammen stiegen auch die Temperaturen. Nach weiteren 45 Kilometern hielten wir erneut auf einem kleinen Rastplatz, um den Kaffee und die Regenklamotten loszuwerden. Obwohl der Rastplatz ziemlich klein war, tummelten sich zahlreiche Besucher hier. War auch irgendwie ideal hier. Direkt an einem kleinen Fluss gelegen mit kleinen Wiesenflächen zum Zelten und einem Klo, welches sich ideal während des "Geschäftes" für bilaterale Gespräche eignete. Jedenfalls hatte ich so eine Ausführung vorher noch nie gesehen. ;-)
Klohäuschen für bilaterale Gespräche
Lappland...und kein bisschen weiß
Ab hier um 14:30 Uhr bis etwa 17:00 Uhr gab es dann keine wirklichen Highlights. Zwar wurde die Landschaft immer schroffer und interessanter, fahrtechnisch änderte sich aber nichts. Beim nächsten Tankstopp in Dorotea erkannten wir, dass wir uns bereits in Lappland befanden. Mein Gott, Lappland...in meiner Vorstellung war Lappland Tausende von Kilometern entfernt, fast immer schneebedeckt und ich dachte, die Bewohner würden hier Lederschuhe mit bunten Bändchen, Brustschmuck und Mützen tragen und Rentiere vor sich hertreiben. Weit gefehlt, wenn man nicht einmal erkennt, dass man sich bereits in der Region befindet.
...auch hier gab es Loppies
Dank der wärmenden Sonne kamen wir auf 22 °C. Hui, nun wurde es aber kuschelig in der Kluft, da wir ja auch immer noch die Fleecepullis druntertrugen. Das war um 16:20 Uhr. Um 16:34 Uhr sah das dann in der Ferne schon wieder anders aus und um 16:54 Uhr hatten wir einen derartigen Platzregen mit etwa 10 Grad Temperaturabfall, dass es nur Minuten dauerte, bis wir vollkommen durchnässt waren.
da kommt was auf uns zu
Verschwommen sah ich durch das nasse Visier etwas am Straßenrand stehen. Axel scheinbar nicht, denn er fuhr locker mit etwa 100 Km/h in etwa 3 Meter Entfernung daran vorbei. Ich drückte auf den Auslöser meiner Kamera und hatte mit meiner Ahnung recht. 2 Rentiere standen unmittelbar auf dem rechten Seitenstreifen und grasten. Eines davon direkt an der Straße. Ich ärgerte mich, da es die ersten beiden Rentiere waren, die wir oder besser ich gesehen hatte, und dass ich dann nur ein Foto bei Regen mit verschmiertem Visier und verschwommener Kameralinse machen konnte. Aber besser ein schlechtes als überhaupt keines.
Rentiere im Regen
So schlagartig, wie der Regen eingesetzt hatte, hörte er auch wieder auf. Als wir unser Etappenziel Vilhelmina erreichten, war es 17:15 Uhr und die Sonne schien wieder.
Vilhelmina Kyrkstad
Axel hatte im Internet gelesen, dass es hier in Vilhelmina eine alte Kirchenstadt gibt, die mittlerweile zur Jugendherberge umgebaut wurde. Da wollten wir gerne übernachten. Die Anmeldung befand sich mitten in der Stadt im Turistbyrå. Dort bekamen wir die Schlüssel, eine kurze Einweisung und Codes für kostenfreies W-Lan.
Die Jugendherberge bestand aus vielen aneinander gebauten Holzhäusern, meisten 2-geschossig und schön in schwedenrot mit weißen Fenstern. Früher dienten diese Häuser den Bewohnern entfernter Gebiete als Übernachtungsmöglichkeit, da diese teilweise tagelang unterwegs waren, um an kirchlichen Feiern und Zeremonien teilzunehmen. Kyrkstad stand dann auch bezeichnend für Kirchenstadt.
Vor- und Rückseite unseres 2-Zimmer-Appertements im Vilhemina
Kyrkstad Youthhostel
Unsere kleine Wohnung war genial und mit ca. 45 EUR um Längen günstiger als die gestrige Jugendherberge. Zwei Zimmer, zweckmäßig eingerichtet, mit Dusche und WC. Das eine Zimmer war Küche und Aufenthaltsraum, das andere der Schlafraum. In der Küche stand ein uralter Herd, den man allerdings nicht mehr benutzen durfte. Dafür hatte man hier aber eine Pantryküche mit Kühlschrank, Geschirr und E-Herd. Mehr brauchte man auch nicht.
Axel stachen sofort die besonderen Tapeten im Schlafraum ins Auge. Mir nicht so sehr...für mich hatten die eher 70er-Jahre-Charme. Dank W-Lan konnten wir nun aber etwas surfen und recherchieren und erfuhren auf diese Weise jede Menge über Loppis und arschteure Tapeten mit Vilhelmina-Muster. ;-)
Axel vertieft in interessanter Touristeninfo
Um 22:30 Uhr war es immer noch hell. Wir machten noch einen kleinen Spaziergang durch das Kirchendorf und plötzlich kam der mentale Flash. Was machen wir hier überhaupt? Wir befanden uns mitten in Lappland auf einem kulturhistorischen Gelände, umsäumt von wunderschönen Landschaften. Boah, ganz plötzlich liefen mir Schauer über den Rücken. Wir waren tatsächlich auf dem Weg, uns einen weiteren Traum zu erfüllen...auf dem Weg zum Nordkap. Sichtlich bewegt nahmen wir uns fester an die Hand. Alles war wie ein Traum und doch so real....
Gesehene Rentiere: 2
Gesehene Elche: 0
Gesehenes sonstiges Spring-Gedöns: 4
Gefahrene Kilometer Orsa - Vilhelmina: 540,6
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