Am Polarkreis in Jokkmokk
Wir hatten hervorragend geschlafen und starteten um 8:00 Uhr bei 13 °C. Da Axels Tourenplanung, was die Länge der geplanten und tatsächlich gefahrenen Etappen anbelangte, mittlerweile komplett über den Haufen geworfen war, wollten wir gucken, wie weit wir heute kommen würden. Zum Glück hatte Axel alle Herbergen und Campingplätze entlang der Route ins Navi eingespielt. So war es eigentlich völlig egal, wie weit wir fuhren, solange wir auf der Route blieben.
20 Minuten später befanden wir uns schon wieder völlig abseits der Zivilisation, denkt man. Man fährt und fährt und keiner kommt einem entgegen. Bis man dann eine Brücke überquert, unter der ein breiter Fluss mit Stromschnellen liegt und schon entdeckt man am Ufer zahlreiche Wohnwagen und Wohnmobile...mitten in der Einöde. ;-)
Ist natürlich ein absolutes Plus hier, dass man einfach wild zelten und campen darf, wo man möchte; solange man nicht die Privatsphäre eines anderen verletzt.
wildes Campen
traumhafte Flusslandschaft am Umeälven
Irgendwo machten wir dann 1 Stunde später an einem See einen Fotostopp. Der Blick war fantastisch, allerdings weiß ich nicht mehr genau, wo das war. Ich glaube, in der Nähe von Storuman. Ich weiß aber noch, dass wir extra dafür die Hauptstraße verlassen hatten.
Schön war, dass wir bis jetzt immer noch herrliche Sonne hatten und die Temperaturen im Wohlfühl-Bereich lagen. Die Gegend wurde schroffer und karger und zeichnete sich durch kilometerlange Stein-Felder aus. Axel hatte vorher schon gesagt, dass wir unbedingt unsere Stahlnägel-Heringe und den Metallhammer mitnehmen müssen, damit wir im Falle einer Zeltübernachtung auch die Heringe in den Boden bekommen. Jetzt verstand ich auch, wieso.
schroffe Landschaft
Um 10:30 Uhr befanden wir uns etwa 30 Minuten von Arvidsjaur, unserem nächsten Fotostopp, entfernt, als uns ein entgegen kommendes Auto mit der Lichthupe anblinkte. Komisch, dass man immer sofort an eine Radarfalle oder Polizeikontrolle denkt und panisch in die Eisen geht, obwohl man bis dahin eh vorschriftsmäßig gefahren ist. Die vermeintliche Radarfalle entpuppte sich dann aber als ein Paar Rentiere, die seelenruhig vor uns auf der Straße tapperten und, nachdem wir sie langsam verfolgt hatten, genervt ins seitliche Grün abhauten. Klasse, ich freute mich. Die hatte ich sicher im Kasten, als Foto und auch als Film.
die Vorhut
Nach dem nächsten Hügel erkannten wir dann aber schlagartig, dass das nur die Vorhut war. Vor uns stand und lag eine ganze Herde von mindestens 20 Tieren auf dem noch warmen Asphalt. Einige hoben ihren Kopf und schauten uns gelangweilt an. Wir hielten an und zückten noch einmal unsere Kameras. So muss das sein. Allerdings fehlten uns jetzt immer noch die Elche...
Rentierherde
Lappstaden in Arvidsjaur
Dann erreichten wir Arvidsjaur und somit unseren nächsten Fotostopp, die Lappstaden oder auch Samenstadt genannt. Die Lappstaden, mitten im Stadtzentrum gelegen, ist eine Siedlung aus etwa 30 gut erhaltenen Holzhäusern und 50 Lagerschuppen aus dem 17. Jahrhundert. Hier wohnten die Samen, um ihrer Kirchenpflicht nachzukommen, welche verlangte, jedes Jahr eine bestimmte Anzahl von Gottesdiensten zu besuchen. Einmal jährlich, am letzten Augustwochenende, werden die Gebäude auch heute noch genutzt, wenn hier der Große Versammlungstag abgehalten wird.
Gerne hätten wir uns mal eines der Gebäude von innen angesehen, aber die nächste Führung war erst gut 1 Stunde später und wir waren für die mittlerweile 22 °C viel zu warm angezogen. Also begnügten wir uns mit dem Lesen der Infos und dem Besichtigen und Fotografieren der Siedlung, bevor wir weiterfuhren.
Lappstaden Gähtie-Koten und Speicher
Dann tat sich fast 2 Stunden nicht viel. Fahren auf leeren Straßen, durch schöne Gegenden, ab und zu ein entgegen kommender Biker....und dann das Objekt der Begierde. Ein Elch, oder besser Elchchen oder Elchlein oder Baby-Elch. Aber egal, es war ein Elch, der am anderen Straßenrand stand und uns völlig entspannt beim Vorbeifahren zuschaute. Elche im Zoo zu sehen ist das eine, einen Elch in freier Wildbahn etwas anderes. Wir freuten uns.
Baby-Elch
Polarkreis in Jokkmokk
Gegen 13:30 Uhr erreichten wir dann das nächste Highlight. Den Polarkreis, oder auch Polcirceln in der Nähe von Jokkmokk. Ab hier sollte nun die Sonne nicht mehr untergehen. Auch dieses Erlebnis war grandios. Das überhaupt erreicht zu haben, machte uns schon stolz. Auch hier schossen wir massenhaft Fotos und natürlich ziert hier ab nun ein Aufkleber der Biker Union e.V. (schwarz mit goldener Schrift) das Polcirceln-Schild in Jokkmokk. :-)
Polarkreis in Jokkmokk
Unser Aufkleber
Zeit fürs Essen. Mein umherschweifender Blick entdeckte einen Tisch mit zwei Bänken. Sofort nahm ich auch wahr, dass ein österreichisches Auto hielt und die aussteigende Beifahrerin ebenfalls die Sitzgruppe anpeilte. Wie in Zeitlupe setzten wir uns in Bewegung, Meter um Meter dem Ziel näher kommend und starrten uns mit zuckenden Augenlidern an, als ich mit etwa 1,5m Vorsprung die Sitzgruppe vor ihr erreichte und zeitgleich unsere Topcase-Innentasche mit den Küchenutensilien auf den Tisch knallte. Erster!!! Tja, manchmal gewinnt man und manchmal verliert der andere.
Axel schaute sich noch im Souvenirladen um, während ich nach besagtem Zieleinlauf wieder unseren Picknick-Tisch deckte und bereits den Wasserkessel auf unserem Gasbrenner aufgesetzt hatte. Picknick am Polarkreis. Das erzähl mal deinen Kindern... ;-)
Picknick am Polarkreis
Das Wetter hielt prima durch, mittlerweile hatten wir 24 °C. Landschaftlich blieb alles unverändert schön. Dann kamen jedoch irgendwann komische Straßenschilder mit Aufschriften wie "byggarbetsplats" und mit ähnlichen Symbolen wie bei uns, wenn die Straße mit Rollsplitt ausgebessert wurde. Allerdings irritierte uns die Kilometerangabe etwas, denn darunter stand irgendwas von 21 Kilometern. Ja, was denn nun...in 21 Kilometern oder auf 21 Kilometern? Nach etwa 500 Metern wussten wir es dann. Vor uns lagen tatsächlich 21 Kilometern Schotterpiste mit teils schon sehr tiefem Kiesbett. Das Stehen während des Fahrens machte uns keine Probleme, aber die zeitliche Länge schon. Bereits nach etwa 3 Kilometern brannten die Oberschenkel, weil wir darin ziemlich ungeübt waren. Also, kurz wieder setzen, Beine lockern und dann ein erneuter Anlauf. Puh, war das anstrengend. Hinzu kamen die jetzt auch noch ziemlich hohen Temperaturen. Aber nur im Stehen konnten wir sicher und zügig die Schotterpiste bezwingen. Alles andere hätte nur in einem einzigen Geeiere geendet.
Schotterpiste bei Gällivare
Nach exakt 21 Kilometern erreichten wir dann das Ende der Piste und den kleinen Ort Porjus am Stausee Stora Lulevatten. In Höhe des Ortsschildes, immer noch stehend fahrend, erreichte uns tosender Beifall. Wir hatten keine Ahnung, woher der kam. Dann erkannten wir aber 4 junge Leute, die am Ortseingang in einem Haus auf dem Balkon saßen und uns mit Daumen hoch begrüßten und johlten. Da wir auf der Strecke nicht die einzigen Biker gewesen waren, nahmen wir an, dass sie hier wohl bereits die eine oder andere Freestyle-Einlage gesehen hatten. Dem fröhlichen Ausdruck der Jugendlichen entnahmen wir, dass unsere Haltungsnoten doch im Bereich zwischen 9 und 10 Punkten gelegen haben müssen. ;-)
Direkt am See fanden wir dann auch noch einen kleinen Shop, in dem wir unsere Lebensmittelvorräte auffüllen konnten. Ein Brot, etwas Wurst und natürlich unser Etappenabschlussbierchen.
Stausee Stora
Ankunft in Gällivare
Nun waren wir nicht mehr weit von Gällivare entfernt. Dort warteten dann schon die nächsten Fotostopps und eigentlich sollte unsere heutige Etappe hier enden.
Gegen 16:30 erreichten wir den alten Bahnhof und etwas später die Gällivare Gamle Kyrka. Ja, sehr schick. Allerdings keine Ahnung, was das Besondere an der Kirche ausmachte. "Gamle" stand wohl für alt. Aber leider konnten wir den Rest nicht lesen, da dieser dort nur auf schwedisch stand.
Bahnhof und Gamle Kyrka in Gällivare
Dann ging es in Richtung Übernachtungsplatz, der sich aber nach längerem Suchen als "nicht auffindbar" entpuppte. Sollte eigentlich eine Jugendherberge sein, sah jetzt aber eher aus wie eine Flüchtlingsunterkunft. Und nu? Die nächste Herberge war zu weit weg. Also blieb nur ein Campingplatz, am besten mit Hütten.
Nach einer weiteren Stunde fanden wir einen nördlich von Vittangi. Ein kuscheliges kleines Gelände direkt am Fluss Torne älv mit Zeltmöglichkeiten und Hütten. Es gab auch eine Rezeption, leider aber unbesetzt. Man sollte außerhalb der Öffnungszeiten dann irgendeine Nummer anrufen. Das für solche Anrufe gedachte Telefon, das sich außen an der Hütte befand, funktionierte aber nicht, da der Hörer abgerissen war.
Wir liefen ratlos umher und Axel suchte noch auf dem Gelände nach irgend jemandem, der uns vielleicht weiterhelfen könnte. Keiner in Sicht. Selbst die Urlauber, die direkt vor uns auf der Zeltwiese standen, taten so, als würden sie uns nicht sehen.
Das war doch irgendwie alles Mist....Axel schaute auf die Karte und suchte nach weiteren Übernachtungsmöglichkeiten. Irgendwie war da aber nichts. Uns war jedoch aufgefallen, dass es überall Hinweisschilder mit dem Wort "Hytter" gab. Also fuhren wir erst einmal weiter.
Noch mehr Rentiere
Ein Abstecher in Form eines 9 Km langen Knüppeldamms zu einer auf der E45 ausgeschilderten Herberge entpuppte sich als "Villa Tausendteuer" und entsprach nun so gar nicht unseren Vorstellungen einer rustikalen Unterkunft für Motorradfahrer. Also fuhren wir wieder die 9 Km zurück zum Ort Nedre Soppero.
Abstecher zum Hotel
Straßenhindernis
Kurz vorm Verlassen der E45 hatten wir noch direkt am Fluss Lainioälven gelegen ein paar Hütten entdeckt. Die steuerten wir nun gezielt an und hatten um 20:30 Uhr auch Erfolg, denn nicht nur eine, sondern alle Hütten waren noch frei. War aber auch irgendwie komisch, da wir gerne noch mit anderen Gästen gesabbelt hätten, aber egal. Wir befanden uns jetzt im nördlichsten Zipfel von Lappland in Schweden und bis Finnland waren es nur noch wenige Kilometer.
Wir hatten eine schöne große 6-Bett-Hütte für uns und ausreichend Platz. Beim Abrödeln nervten die Mücken, die wie Torpedos ins Gesicht schossen, sobald das Visier ein wenig geöffnet war. Ansonsten war alles prima....nur das Navi spackte jetzt mit der Anzeige von Tag und Nacht rum, da Sonnenuntergang und -aufgang nur noch 10 Minuten auseinander lagen.
6-Bett-Hütte bei Nedre Soppero
Nach Stärkung in Form eines Nudelgerichtes und ein paar Bierchen ging bei uns gar nichts mehr. Wir schafften es gerade noch, Notizen vom Tag zu machen und die Pillendosis für morgen aus den Blisterpackungen zu drücken, da fielen wir auch schon komamäßig ins Bett.
Gesehene Rentiere: >20
Gesehene Elche: 1/2
Gesehenes sonstiges Spring-Gedöns: 6
Gefahrene Kilometer Vilhelmina - Nedre Soppero: 645
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