Ich bin dann mal da....
Die Nacht im Baumwollschlafsack auf den eigentlich viel zu dünnen Matratzen war erholsam und wir haben komatös bis 7:30 Uhr geschlafen. Die Dusche tut gut, das eigene Frühstück ebenso.
Erst gegen 10:00 Uhr und nach einer genauen Inspizierung der Hütte durch die Platzbetreiberin auf mögliche Verwüstungen dürfen wir den Campground verlassen.
Axel steht in den Startlöchern
Wir fahren die mautfreie A8 und schaffen damit natürlich ordentlich Kilometer. Landschaftlich gibt es kaum Abwechslung. Irgendwo ist die Autobahn aufgrund einer dicken Nebeldecke und Sicht unter 5m gesperrt und wir fahren die ausgewiesene Umleitung, die uns z.T. über traumhafte Passstraßen führt. Leider haben wir nicht viel davon, da wir uns die Straßen mit anderen Autos, Wohnmobilen und LKWs teilen müssen. Letztere haben ziemliche Probleme, die engen und steilen Serpentinen zu bezwingen. Nur der Könner überlebt hier...
Irgendwann sind wir wieder auf der A8 und wechseln nach 2 1/2 Stunden auf die N634, die uns nun durchs Landesinnere direkt nach Santiago de Compostela führt.
Die Zahl der Pilger, die wir am Wegesrand entdecken, nimmt deutlich zu. Auch sind jetzt jede Menge Radfahrer allein oder sogar in großen Gruppen unterwegs. Überall finden wir den gelben Pfeil mit der Jakobsmuschel auf Hinweisschildern.
Hinweisschild Camino de Compostela
Santiago de Compostela
Wallfahrtsort und Hauptstadt Galiciens
Irgendwann liegt Santiago de Compostela vor uns und wir können schon von weitem die beeindruckenden Türme der riesigen Kathedrale sehen. Zu Fuß, auf dem Rad oder per Auto...alles um uns herum strömt mit uns zusammen in die Stadt.
Mit Durchfahren des Ortsschildes ändert sich schlagartig auch die Verkehrsdichte. Montagmittag gegen 13:00 Uhr ist hier die Hölle los. Axels Navi lotst uns hin und her, meistens dürfen wir nicht abbiegen, wo wir eigentlich sollen oder landen in einer Fußgängerzone.
Bimmelbahn in der Fußgängerzone
Gelingt es uns trotzdem in die Nähe der Kathedrale zu kommen, finden wir nicht mal für die Moppeds einen Parkplatz und werden gnadenlos "weggehupt".
Nach der 3. Runde durch die Altstadt liegen unsere Nerven blank. Wir einigen uns auf einen letzten Versuch und fahren dieses Mal nach meinem Navi. Groooßer Fehler, kann ich nur sagen. Einmal falsch rechts abgebogen und schon driften wir ohne Möglichkeit zum Wenden ab ins Hinterland. Die Ehrenrunde kostet uns etwa 3 Kilometer, bevor wir wieder die Pforten von Santiago erreichen.
3. Ehrenrunde durch Santiago
Uns reicht´s. Und mit einem letzten Anlauf biegen wir unerlaubterweise links in eine kleine Seitenstraße, die Rúa de Domingo Garcia-Sabell, ein. Wir wollen schon aufgeben, da entdeckt Axel ein kleines Hinweisschild "Moto" und erkennt sogleich, dass es sich hier um einen Parkplatz ausschließlich für Motorräder handelt. Achtung: Geheimtipp! (Google Maps Street View als Parkplatz Moto angegeben, Maps-Koordinaten 42°52'56.0"N 8°32'52.0"W, in 2018 noch als "Fußgängerzone" ausgewiesen).
Was für ein Glück...die Kathedrale ist von hier nur etwa 200 Meter Luftlinie entfernt. Wir stellen die Moppeds ab und sichern unsere Jacken und Helme mit Spiralschlössern am Rahmen. Fototasche und Tankrucksäcke nehmen wir geschultert mit.
Wir brauchen keinen Wegweiser und folgen einfach dem Strom der Touristen und Pilger, vorbei am Pilgrim´s Reception Office, am Santiago-KM 0-Hostel und diversen Lokalen. Die letzte Rampe bezwingen wir bei mittlerweile Sonnenschein und gefühlten 28 °C. Dann stehen wir auf dem Praza do Obradoiro und vor uns baut sich riesengroß die Kathedrale von Santiago de Compostela auf.
Kathedrale in Santiago de Compostela
Ehrfürchtig bestaunen wir das Bauwerk und können noch gar nicht fassen, dass wir es erreicht haben. 2.726 KM von zu Hause entfernt, lange Zeit für uns mental nicht zu schaffen und nun stehen wir hier. Wir sind einfach nur glücklich...
Wir haben es geschafft...
Wir bemerken die andächtige Stille, obwohl sich eine Vielzahl an Menschen hier aufhält. Viele Pilger liegen auf dem Boden und beten, andere weinen...alles sehr ergreifend. Und auch ich ertappe mich beim Sinnieren...ich spreche innerlich mit meinem verstorbenen Vater...und muss bewegt tief durchatmen.
Pilger auf dem Praza do Obradoiro
In die Realität zurückgeworfen werden wir, als wir mit den Preisen für Souvenirs konfrontiert werden. Axel macht dicke Backen und steckt das Portemonnaie wieder ein. Wir gehen erst einmal weiter und wollen uns die Kathedrale von innen anschauen.
Ein Security-Beauftragter vor dem Eingang besteht freundlich darauf, in unsere Tanksäcke zu gucken. Auch fordert er Axel und mich auf, die Caps abzunehmen. Wir sind erstaunt, der Eintritt ist frei....
Leider ist im Inneren der Kathedrale viel verhüllt und eingerüstet, so dass man die wirkliche Schönheit des Baus nur erahnen kann. Auch den Botafumeiro, der sonst zu hohen Feiertagen durch das Querschiff geschwenkt wird, können wir nur durch ein Stahlgerüst hindurch aus der Ferne bewundern. Schade eigentlich....
sitzende Jakobsfigur am Hochaltar von hinten - im Hintergrund alles
eingerüstet
Gegen 16:00 Uhr sitzen wir wieder auf den Maschinen und starten zu unserem nächsten Highlight, das etwa 80 KM entfernte Kap Finisterre, welches wir um 17:30 Uhr erreichen. Für viele Pilger gilt das Kap als das eigentliche Ende des Jakobsweges. Manche verbrennen hier symbolisch ihre Schuhe, was aber mit einem alten Brauch nichts zu tun hat und heute eher die Umwelt belastet, da die meisten Materialien aus hochmodernen Kunststofffasern bestehen.
Wir machen Hunderte von Bildern, andere auch. Und wieder erleben wir innerlich dieses befriedigende Gefühl, etwas im Leben erledigt zu haben. Ich weiß nicht, ob das richtig ausgedrückt ist...aber kurz und knapp gesagt: wir können einen Haken auf unserer "have to see mit Motorrad-Liste" machen.
Axel am Cruz da Costa da Morte
Galicien 0,00 m
Was für ein aufregender Tag....Santiago de Compostela....bäääm....Kap Finisterre....bäääm...puh. Ich fasse es immer noch nicht. Vorher, virtuell, sooo weit weg und jetzt, real, direkt vor der Nase. Das Leben ist schön...
Benommen von den ganzen Eindrücken erreichen wir gegen 20:00 Uhr den Campingplatz Ruta de Finisterre. Wir labern nicht lange rum, entscheiden uns für einen schattigen Platz zwischen Bäumen. Das Zelt samt Matratzen ist schnell aufgebaut, um 20:30 Uhr sitzen wir im platzeigenen Imbiss. Unser erster erlernter spanischer Satz "Hola, dos grandes cervezas, por favor" wird sofort verstanden. Mit einem Burger und galizischem Bier lassen wir den Tag noch einmal Revue passieren.
Abendstimmung direkt am Meer
Witzig war noch der nach uns ankommende Karlsruher Trecker, der samt Wohnwagen über Frankreich auf dem Jakobsweg bis hierher gefahren ist. Reisedauer: 2 Monate. Tja, Jeder hat so seine Macke....
Statistik pro Person:
gefahren: 328 KM
Kosten für Benzin: 25,88 € (1,56 € / L)
Übernachtung im Zelt: 17,- €
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