Passo San Boldo
Heute Morgen ist es frisch und feucht. Die Wolken hängen tief, aber zum Glück regnet es nicht. Im Waschhaus nehme ich eine wohltuende Dusche und trete so wie Gott mich schuf aus der Kabine heraus. Abtrocknen, Zähneputzen, Kämmen...das übliche Ritual. Die Haut ist mittlerweile richtig trocken, ich ziehe mich an. Erst dann bemerke ich die Kamera, die hoch oben an der Decke im Damenwaschhaus hängt. Kamera? Hier? Warum? Wieso?
Etwas unbehaglich mit gesenktem Kopf gehe ich zurück. Ich vermute, die Kamera hängt dort wegen Vandalismus. Es ist ja auch nicht so, dass sie versteckt angebracht ist und zusätzlich weisen auch Schilder in Italienisch auf die Kamera hin. Aber wer achtet schon morgens um 6:00 Uhr auf so etwas. Wie dem auch sei, der Besitzer des Videos kann sich jetzt freuen...oder eben auch nicht. ;-)
Schnell sind Zelt und Co im Packsack verschwunden. Wir frühstücken erst jetzt.
Frühstück
Heute steht eine Ehrenrunde durch den Nationalpark Dolomiten auf dem Programm, einzig und alleine wegen des Passo San Boldo. Der Passo San Boldo ist ein 17 Kilometer langer sehr schmaler Alpenpass in der Region Venetien und lockt jeden Motorradfahrer an, der sich in der Nähe befindet. Der Pass ist nur einspurig mit max. 30 Km/h zu befahren und wird durch Ampeln gesteuert. Spektakulär ist die Trassenführung der Südrampe an der senkrechten Felswand. Nur durch fünf in den Fels gesprengte enge Kehrtunnel und über sechs Brücken kann die Passhöhe erreicht werden.
Extra für diesen Pass hat Axel die geplante Tour um die heutige Rundreise erweitert. Nach zahlreichen Videos, die wir darüber gesehen haben, wollen wir diesen Pass nun unbedingt auch fahren.
Alle Kameras laufen und es geht los. Mehr als 30 Km/h ist wirklich nicht drin. Die engen Kehren erfordern vollste Aufmerksamkeit. Immer wieder möchte man seitlich in den Abgrund schauen und die fantastische Aussicht genießen. Aber wir bleiben diszipliniert und konzentrieren uns auf die vor uns liegenden Kurven. Zum Glück habe ich ja alles mit den Kameras festgehalten!!!! Am Ende der Kehren halten wir und lassen noch einmal die Drohne steigen. Hoffentlich sind alle Aufnahmen etwas geworden....
Mit der Drohne aufgenommen
Zur Sicherheit, dass uns nicht die Speicherkarten während der Fahrt durch Vibrationen geschreddert werden, tausche ich hier alle Medien gegen neue aus.
Hinter dem Passo San Boldo geht es wieder gen Westen. Wir fahren durch wunderschöne Landschaften, sanfte Hügel und Weinberge und erfahren, dass wir uns in einer für ihren Prosecco bekannten Weinbauregion befinden, den Prosecco Hügeln von Conegliano & Valdobbiadene und UNESCO Weltkulturerbe.
Weiter geht´s entlang der Piave wieder gen Norden. Wir schrammen irgendwann nur 2 Kilometer entfernt an dem Ort vorbei, wo wir heute Morgen gestartet sind. Trotz angekündigter Straßensperrung wagen wir die Weiterfahrt durch das Skigebiet Funivie Lagorai und müssen nach 25 Kilometern feststellen, dass eine Durchfahrt nicht möglich ist.
Wir fahren die 25 Kilometer zurück und weiter gen Westen auf direktem Wege nach Triest. Es ist schon spät, es ist heiß und wir finden das "Hi Hotel" mitten in der Stadt. Zum Glück gibt es eine Tiefgarage, wo wir parken können. Das bringt uns aber nichts, da es kein freies Zimmer gibt. Also weitersuchen...
Bei der Ausfahrt aus der Tiefgarage passiert es dann...Axel verliert ein wenig den Halt und das Gleichgewicht und fährt gegen die mittig auf der Fahrbahn angebrachte Barriere. Zwar versucht Axel noch, diese mit Schwung zu überwinden, aber 400 KG Gesamtgewicht und ein hoher Schwerpunkt machen da nicht mit.
Mit metallischem Scheppern legt Axel die Maschine auf die Seite und beim Abspringen ist leider die Schranke im Weg. Nach Körperkontakt mit lautem Knall fliegt sie in hohem Boden und bleibt etwa 5 Meter weiter liegen. Die Maschine hupt auf der Seite liegend unaufhörlich vor sich hin, dazu schreit das LCD-Display optisch rot blinkend SOS. Ich meine auch die SOS-Box quiekt SOS-Alarm, kann mich aber auch irren. Es herrscht um uns herum wilde Aufregung. Eine italienische Stimme meldet sich aus dem SOS-Kasten, 2 Leute aus dem Hotel kommen angerannt...das sind so die Momente, wo man nicht weiß, was man eigentlich zuerst machen soll.
Da Axel steht und nicht blutet und laut vor sich hinflucht, kümmern wir uns umgehend um die Maschine. Der italienischen SOS-Stimme versuche ich klarzumachen, dass alles in Ordnung ist. Wenigstens wissen wir jetzt, dass dieses Feature funktioniert. Mit vereinten Kräften richten wir die Maschine auf und schieben sie an die Seite. Auf dem ersten Blick scheint nur der Bumper am Sturzbügel in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein, aber dafür wurde er ja auch eigens angeschafft, um solche Stürze abzufangen. Guten Job gemacht...
der Bumper hat ein bisschen was abbekommen
Axel flüstert mir leise zu: "Das wird teuer...mit Polizei und Ausland und so...". Die beiden aus dem Hotel begutachten die demolierte Schranke. Aus näherer Ansicht sieht man aber, dass diese nur aus 5 Buchsen am Drehgelenk herausgedrückt wurde. Sieht ebenfalls so aus, als wenn man sie einfach nur wieder hineinpressen müsste. Also nichts, was man nicht schnell wieder zusammenzimmern kann.
Die größere Sorge scheint bei den beiden Hotelangestellten aber zu sein, dass sich die Schranke beim Durchfahren zu früh geschlossen hat und die Angst, dass wir sie deswegen schadensersatzpflichtig machen könnten. Wir verstehen zwar sprachlich nichts, aber die Gesten gehen gefühlt in diese Richtung. Bevor die Kameras im Einfahrtsbereich analysiert werden können, einigen wir uns auf 30,- EUR für eine Kleinstreparatur einer Buchse an der Schranke. Sehr erleichtert bezahlen wir und machen, dass wir hier verschwinden.
Hier könnt ihr euch die Garageneinfahrt auf Google anschauen...
Wir suchen uns den nächsten Campingplatz und erreichen gegen
18:00 Uhr bei Terlago den
Campingplatz Lido Lilla. Schön schattig
und schön teuer. Hier ist es egal, wie man anreist. Ob mit Caravan
und 8 Kindern oder alleine mit Igluzelt. Man zahlt immer 45,- EUR
für den Stellplatz. Wir schlucken den Brocken und bauen auf und
stellen fest, dass auch der linke Koffer in Mitleidenschaft gezogen
wurde. Er schließt nicht mehr richtig und wird damit wohl auch nicht
mehr wasserdicht sein.
Um
19:30 Uhr lassen wir es uns direkt am See in einem Restaurant bei
Bier, Pasta und Wein trotzdem gutgehen.
Campingplatz Lido Lilla
Das Essen schmeckt...
Nach einem wunderschönen lauwarmen Abend am See mit Blick auf die in Betrieb genommene Wasserskianlage und dem Sonnenuntergang hinter den Bergen verabschieden wir uns ins Zelt.
Neben uns hat in der Zwischenzeit ein weiterer Biker sein Nachtlager aufgeschlagen....für 45,- EUR.
Garmin Tag 5
Statistik pro Person:
gefahren laut "Routes": 281 KM
Kosten für Benzin: 25,99 € (Liter Ø 1,85 €)
Übernachtung Camping Lido Lilla: 22,50 €
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