Die Transfagarasan

 

 

Heute kamen wir erst spät los. Obwohl wir frühzeitig abreisebereits waren, dauerte es, bis wir endlich unser Frühstück bekamen. Die Wahl zwischen "italian breakfast" und "traditional breakfast" fiel auf Letzteres und bescherte und einen Quader Fleisch (wahrscheinlich Pute) und einen Quader Käse. Dazu in Streifen geschnittene Gurken, Tomaten und noch ein bisschen Grünzeug und Kaffee, fertig. Kein Brot, keine Butter. Aha... das war also traditional.

Dann ging es erst einmal zur Tanke. Während des Tankens zeigte uns ein Blick auf die Ölstandsanzeige, dass auch hier nachgefüllt werden musste. Gesagt, getan. Dann erspähte ich "Kaufland". Eine gute Möglichkeit, die Wasservorräte aufzufüllen und nach Fahrradhandschuhen zu suchen, denn das ständige Aus- und Anziehen der Motorradhandschuhe nervte (weil eine Handykamera nun einmal nicht mit normalen Handschuhen funktioniert). Die Fahrradhandschuhe fand ich dann auch, allerdings ausschließlich in der Größe "M". Ach herrje, wer hat denn schon "M"? Genervt schmiss ich die Dinger wieder ins Regal zurück.

Um 9.30 Uhr konnten wir dann endlich bei bereits 28 °C starten. Planmäßig viel zu spät, da heute sehr anspruchsvolle Strecken auf der Agenda standen, u.a. auch die Transfagarasan.

Straßentechnisch spielte sich das Gleiche wie gestern ab. Auffällig war ab hier jedoch, dass immer mehr sogenannte Straßenhunde zu sehen waren. An jedem Parkplatz, in jedem Dorf fand man sie. Manchmal alleine, manchmal in Rudeln. Überhaupt setzte ab hier irgendwie ein leichte Beklemmung ein. Die heruntergekommenen Häuser, die ärmlich gekleideten im Schatten sitzenden Menschen, die Autos, die man hierzulande in dem Zustand nur noch bei "Kiesow" fand...überhaupt alles.

Pferdegespanne
immer wieder Pferdegespanne

Dann erreichten wir die Stadt Sibiu und somit wohl auch den Höhepunkt des "Hupkonzertes" der Autofahrer. Jeder kleinste Fehler wurde gnadenlos mit fettem Getröte bestraft. 2 Sekunden zu lange an einer Abbiegung gestanden und schon dröhnten Schiffshörner mit gefühlten 150 dB  hinter einem. Ich dachte immer, dass man ein bisschen verschont wird, weil man ja quasi Ausländer ist. Aber nicht in Rumänien. Der dichte Verkehr machte alles noch schwieriger und ich musste zusehen, dass ich Axel nicht verlor, denn mein Navi (bzw. Axels) funktionierte ja nicht. Langsam lagen unsere Nerven blank. Zum Glück konnten wir Sibiu heil und gemeinsam verlassen und wieder auf ruhigere Straßen wechseln. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich die anderen Motorradfahrer nicht verstehen, die Rumänien immer wieder einen Besuch abstatteten und von ihren Touren schwärmten. Wir hatten bislang absolut nichts Spannendes erlebt.

Als wir dann endlich die Transfagarasan erreichten, machte sich erstmals wieder ein Gefühl der Leichtigkeit breit. Wie oft hatte man in Zeitschriften darüber gelesen, von anderen Motorradfahrern Bilder gesehen. Und nun war man selber für das Abenteuer bereit.

Kurvenspaß
Kurvenspaß auf der Transfagarasan

Ja, es machte Spaß ohne Zweifel. Es war relativ wenig Verkehr und man konnte den Kurvenrausch so richtig genießen. "Kurvenporno" hatte ich mal in irgendeinem Bericht gelesen. Und ich muss sagen, dass er da nicht ganz Unrecht hatte. Und wir reden hier von ungefähr 70 KM Länge.

Später las ich im Internet, dass die Transfagarasan vom 01.11.14 bis 30.06.15 zwischen dem Balea Lac und Piscu Negru auf etwa 10 Kilometern gesperrt war. Da haben wir ja dann noch einmal richtig Glück mit unserer Terminwahl gehabt.

Serpentinen
Serpentinen

traumhafter Blick unterhalb des Paltinu
traumhafter Blick unterhalb des Paltinu

Ein bisschen erinnerte die Strecke an das Stilfzer Joch. Aber das sah man eigentlich erst kurz unterhalb des Paltinu, einem Berggrat der Karpaten. Jetzt noch die letzte Etappe und wir hatten den höchsten Punkt erreicht. Das war, als wenn man ein Tor öffnet. Von karger Landschaft ungebremster Übergang zu reinstem Rummel. Buden, Buden und nochmals Buden...soweit das Auge reicht. Überall wuselten Leute herum, Händler boten ihre Waren an. Hier gab es alles: Mützen, Mettwürste, Kristalle, Postkarten, Stofftiere, Souvenirs mit dem Aufdruck der Transfagarasan. Egal, ob Tasse, Metallschild, Zinn- oder Wandteller. Für jeden Geschmack war etwas dabei.

höchster Punkt auf der Transfagarasan
Höchster Punkt auf der Transfagarasan

Am oberen Punkt hatten wir nur noch 16 °C. War schon etwas schattig, denn hier lag zum Teil sogar noch Schnee. Genau wie woanders auch, wühlten Straßenhunde in Mülleimern und suchten nach etwas Fressbarem. Zuerst dachte ich, dass der ganze Unrat um die Tonnen herum von den Touristen stammt. Ein riesengroßer Zottelhund belehrte mich eines Besseren und zeigte, wie geschickt er sich Tüten zu eigen machte und die darin enthaltenen Essensreste verzehrte.

Straßenhund bei der Arbeit
Straßenhund bei der Arbeit

Witzig war noch ein Huski, der unter Aufsicht seines Herrchens wie verrückt im Schnee spielte, sich wälzte und herumsprang. Er fühlte sich scheinbar richtig wohl.

Genug gesehen. Jetzt ging es wieder abwärts. Vor uns lag ein langer sehr schlecht beleuchteter Tunnel. Der Straßenbelag schien das Licht unserer Scheinwerfer quasi zu verschlingen. Zudem war die Fahrbahn nass und die aufwirbelnde Feuchtigkeit setzte sich auf dem Visier ab. Ich wischte mit meinem Handschuh. Und auch hier kann ich nur sagen: groooßer Fehler. Danach sah ich nichts mehr und musste auf Axels Rücklicht vertrauen.

Geschafft. Nun konnte es weiter talwärts gehen. Landschaftlich war es von dieser Seite fast noch schöner. Während auf der anderen Seite die Gegend schroff und karg war und sich eine Serpentine an die andere reihte, zeigte sich die Natur auf dieser Seite in einem wunderschönen Grün mit langgezogenen Kurven. Allerdings waren sie nicht immer gut einsehbar, da Bäume oftmals die Sicht versperrten. Trotzdem genossen wir die Abfahrt.

traumhafte Abfahrt
traumhafte Abfahrt

Gut 1 Stunde später machten wir dann erst einmal eine kleine Pause und ließen das Erlebte wirken. Axels zufriedenes Grinsen bestätigte auch mein Bauchgefühl... alles richtig gemacht!!!

kleine Kaffeepause
kleine Kaffeepause

Die weitere Fahrt ging durch fantastische Landstriche, allerdings wurden die Straßen wieder schlechter. Fassungslos war ich, als wir fast ungebremst und ohne Vorwarnung in tief in die Straße gefräste Rillen gefahren wären. Unser Glück war, dass vor uns ein paar Autos abgebremst hatten. Vorher war kein einziges Hinweisschild zu sehen.

Ausfräsungen auf der Straße
Ausfräsungen auf der Straße

Danach fuhren wir noch über einen anspruchsvollen Pass im wahrsten Sinne des Wortes durch die Walachei im Kreis Argeș und anschließend im Kreis Brașov (Region Siebenbürgen) und erreichten dann letztendlich unser heutiges Etappenziel Bran. Schon von Weitem konnte man das "Schloss Bran" sehen. Das "Dracula-Schloss" diente  dem irischen Schriftsteller Bram Stoker als Vorlage für die Burg seiner blutschlürfenden Romanfigur Graf Dracula. Natürlich hatte sich dadurch die ganze Region auf Tourismus eingestellt. Überall konnte man Gebisse und Vampirmasken und anderen Schnickschnack erwerben. War schon irgendwie belustigend, aber trotzdem auch ein bisschen gruselig.

Schloss Dracula
Schloss Dracula

Übernachten wollten wir beim Vampire-Camping. Auch hier hatte man werbewirksam zumindest den Namen verwendet. Leider hatte der Platz aber keine Hütten oder Mietwohnwagen. Und im Zelt schlafen wollte ich bei den ganzen streunenden Hunden und wild lebenden Bären nicht. Und wer weiß...vielleicht gab es hier auch (Wer)Wölfe?

Ein Tipp des Campingplatz-Besitzers führte uns dann zu einer kleinen Pension etwa 400m weiter. Lag zwar etwas abseits, aber man hatte einen tollen Blick auf die südlichen Karpaten. Und günstig war es hier auch. Wir mussten nur etwa 22,- € für die Übernachtung mit Frühstück bezahlen, und das für uns beide.

Etwas irritiert waren wir, als wir später auf der Terrasse saßen und gerne ein Bierchen getrunken hätten. Leider war außer uns kein weiterer Gast im Haus, aber auch kein Besitzer. Die Haustür stand offen, aber es war keiner weit und breit zu sehen. Auch lautes Rufen half nichts. Wir waren alleine...mutterseelenalleine...in Transsilvanien...irgendwo in der Walachei. Als ich dann auch noch eine Katze im Halbdunkeln erblickte, deren Maserung im Gesicht einem Vampirgebiss glich und ein zugeklappter Sonnenschirm wie eine Hexe mit Hakennase, Hut und Umhang aussah, rührte ich mich nicht mehr von der Stelle. Ich weiß, dass meine Fantasie oft lebhaft ist, aber wenn selbst Axel den Sonnenschirm skeptisch beäugt, dann will das schon was heißen ;-). Jedenfalls endete dann dieser Abend für uns recht früh. Zwar ohne Vampirbisse, dafür aber mit reichlich Mückenstichen.

Gefahrene Kilometer Alba Iulia - Bran: 332,5

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