500 Meilen westwärts
Bereits um kurz nach 8 Uhr zogen wir den letzten Gurt fest und machten uns auf den Weg. "500 Meilen westwärts" wäre die richtige Beschreibung für das, was nun vor uns lag. Außer Sonnenblumenfelder und die Ausläufer des Balkangebirges gab es nichts Spannendes zu sehen. Auch das Fahren war wie die Tage vorher auch. Wir hielten uns peinlich genau an die vorgegebenen Tempolimits und wurden von LKWs und Bussen überholt. Ansonsten dümpelten wir so vor uns hin. Alles irgendwie langweilig und es machte müde.
Unser leerer Tank zwang uns zur Pause und wir waren froh, dass wir hier einen "großen" Kaffee bekommen konnten, der sogar noch schmeckte. Und dann ging es auch schon weiter. Die Hitze schlauchte, die Straßen nervten und man zählte die noch verbleibenden Kilometer.
Dann tauchte in der absoluten Abgeschiedenheit eine Wohnsiedlung in einiger Entfernung zur Straße auf. Die Siedlung bestand aus Hochhäusern, Schutthaufen und z. T. eingestürzten Flachbauten. Die Wohnungen in den Hochhäusern hatten fast allesamt Satellitenschüsseln, dafür aber teilweise abgebrochene oder zugemauerte Balkone, die meisten anderen ohne Brüstung. Viele Fenster waren zerbrochen oder fehlten ganz, aber überall hingen Gebetsteppiche und Wäsche. Die Schutthaufen davor waren nicht zu identifizieren, und ob die kleinen eingefallenen Häuser bewohnt waren, konnte man auch nicht erkennen. Aber auch hier sah man zahlreiche Satellitenschüsseln.
Wohnsiedlung im Nirgendwo
Ich fragte mich, wie Menschen unter solchen Umständen wohnen können. Auch Axel war sprachlos. Da war er wieder, der Kulturschock, den wir so manches Mal auf unserer Balkanrunde bekamen und ich merkte, dass ich mich vorher viel zu wenig mit den fremden Kulturen beschäftigt hatte.
Fassungslos fuhren wir weiter...mussten wir auch, denn wir hatten verbotenerweise auf einer etwas breiteren Schnellstraße mit durchgezogener weißer Linie gehalten.
Nach 1 1/2 Stunden brauchten wir erneut eine Pause. Mittlerweile war es kurz nach 14.00 Uhr und wir hatten irgendwie das Gefühl für Zeit und Raum verloren, denn wir waren seit über 6 Stunden unterwegs, die sich wie 12 anfühlten. Natürlich fanden wir keinen geeigneten Parkplatz, der halbwegs im Schatten lag, also mussten wir mehr oder weniger improvisieren. Auf einem kleinen Sandweg neben der Straße machten wir halt und nutzten unsere Koffer als Sitze und Tisch. Am liebsten hätten wir uns zum Überdösen in den Schatten gelegt. Ging aber zeitlich nicht, da wir noch etliche Kilometer vor uns hatten.
Gegen 16.30 Uhr erreichten wir dann Sofia und unerwartet stressfrei die Alexander-Newski-Kathedrale, heute eines der Wahrzeichen der bulgarischen Hauptstadt. War schon sehr beeindruckend...
Alexander Newski Kathedrale
Unser Etappenziel hieß heute Kyustendil, noch in Bulgarien, aber schon nahe der Grenze zu Serbien gelegen. Axel hatte eine Jugendherberge herausgesucht, die wir auch fanden. Allerdings sah sie irgendwie verlassen und klein aus und es gab auch keine Rezeption oder so. Man sollte eine Telefonnummer anrufen und warten, bis dann jemand kommen würde. Och nö...wir waren ausgelaucht und fertig und wollten eigentlich nur warm duschen und etwas Essen. Aber warten, bis jemand kommt...das war jetzt nicht unser Ding. Da erspähte Axel ein Schild mit dem Hinweis "Hotel Bulgaria 50m". Und schon lief er los, um zu fragen, ob noch etwas frei wäre.
Ich wartete derweilen und passte auf die Moppeds auf, als mich plötzlich ein Mann ansprach und fragte, ob wir ein Zimmer suchen. Als ich das bejahte, griff er auch schon zum Telefon und rief irgendjemand an. Dann erklärte er mir, dass gleich jemand kommen würde und die Jugendherberge öffnen würde. Auf meine Frage, wo wir die Moppeds abstellen könnten, zeigte er auf einen etwa 200m entfernt gelegenen Parkplatz, der zusätzlich auch noch 4,- EUR pro Mopped kosten sollte. Jetzt trafen zeitgleich Axel und der angerufene Mann ein. Während Letzterer auf englisch versuchte, uns in seine Herberge zu "locken", winkte Axel ab. Hotel Bulgaria hätte ein Zimmer für uns frei und wir könnten die Moppeds auf dem abgeschlossenen Hinterhof parken. Na, da fiel die Entscheidung doch leicht.
Als die beiden Männer "Hotel Bulgaria" hörten, sagten sie nur "nix gutt" und verzogen dabei das Gesicht. Aber für 20,- EUR pro Person ohne Frühstück in so einem Kaff...da kann man nicht viel verkehrt machen. Dachte ich jedenfalls...
Dann öffnete sich der Hinterhof und ich war entsetzt. Eine dicke Mulchschicht bedeckte den ganzen Boden. Zwischendrin lag aufgeweichte Pappe, dreckige Stofffetzen, Styropor und andere nicht identifizierbare Sachen. Vorsichtig fuhren wir hindurch. Bei Abstellen der Moppeds im Unterstand entdeckten wir dann dicke Nägel, die überall verstreut in der Garage und auch auf dem Hof lagen. Hüstel...unser Horrorszenario eines platten Reifens spielte sich gerade in unserem Kopf ab und wir hofften, dass wir morgen wieder unversehrt den Hof verlassen konnten.
Hinterhof Hotel Bulgaria
Das Hotel sah von innen eigentlich ganz nett aus. Marmorböden, schicke Verzierungen an der Decke. Eigentlich gab es nichts zu beanstanden, außer vielleicht ein bisschen Muchelgeruch. Bis sich die Tür unseres Zimmers vor uns öffnete... Ich kann eigentlich gar nicht wiedergeben, was ich dann erblickte und habe dies auch irgendwie erfolgreich verdrängt. Ich weiß nur noch, dass das Hotel Bulgaria absolut nicht zu empfehlen ist. Die Fotos, die ich gemacht habe, sind nichts geworden. Kein Wunder bei dem Motiv, da streikte sogar die Kamera.
Den Abend verbrachten wir dann auf einer Fressmeile, wo ein Restaurant an das andere grenzte. Wir entschieden uns für das, wo es am vollsten war. Und diese Entscheidung war die beste. Wir bekamen schön gekühltes Bier und absolut leckere Pizza. Leider hatte ich meinen Fotoapparat im Hotel Bul... (ich kann das Wort nicht einmal mehr schreiben) vergessen. Aber eigentlich gab es auch nichts, was man hätte fotografieren müssen.
Gefahrene Kilometer Sveti Vlas - Kyustendil: 495
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